Therapiehund Dexter schützt Riana Reber vor Selbstverletzungen

Der Labrador Dexter merkt es, wenn es Frauchen Riana nicht gut geht. Er bellt laut oder schleckt ihr das Gesicht ab, um sie aus den dissoziativen Zuständen zurückzuholen.
© St.Galler Tagblatt/Ralph Ribi
Riana Reber hat eine posttraumatische Belastungsstörung, die sie dissoziieren lässt. In diesen Zuständen fügt sie sich unbewusst schwere Verletzungen zu. Ihr Hund Dexter erkennt die Symptome und schlägt Alarm, sobald es ihr nicht gut geht. Dank «Ostschweiz hilft Ostschweiz» kann Reber die Anschaffung von Dexter besser finanzieren.

Die Tür geht auf und ein weisser Labrador drängelt sich vor. Es ist Dexter. Er ist zutraulich, wedelt mit dem Schwanz, und er wäre sofort für ein Spiel bereit. Riana Reber ruft ihren Vierbeiner liebevoll, aber bestimmt zurück. Dexter ist viel mehr als ein Familienhund und Spielkamerad. Er ist ein medizinischer Assistenzhund und begleitet Riana Reber auf Schritt und Tritt durch den ganzen Tag und die ganze Nacht. Dexter schlägt Alarm, wenn er merkt, dass sein Frauchen nicht mehr ansprechbar ist oder es ihr nicht gut geht.

Er ist wahrlich Gold wert, denn dank ihm ist die 33-Jährige in den vergangenen vier Monaten frei von Verletzungen geblieben. Die Gefahr, dass sie sich wehtut, ist zwar nicht eliminiert, aber sie ist kleiner geworden, seit Dexter Riana Reber «bewacht».

Die gebürtige Thurgauerin wurde als Jugendliche mehrfach sexuell missbraucht. Sie hat jahrelang nicht darüber gesprochen und alles immer verdrängt. Sie glaubt heute noch, dass sie an allem schuld ist. «Bis vor zwei Jahren hat Riana nicht über die sexuellen Übergriffe und die schlimmen Vorkommnisse gesprochen. Auch nicht während der Klinikaufenthalte», sagt Schwiegermutter Esther Reber. Sie ist eine wichtige Bezugsperson für ihre Schwiegertochter und eine wertvolle Unterstützung für ihren Sohn Raphael. Familienmitglied Dexter ist eine Art Lebensversicherung. Er ist im August mit Unterstützung der Therapeutin zu Rebers gekommen und ist pausenlos an der Seite der traumatisierten Frau.

Die Verletzungen müssen meist im Spital behandelt werden

Riana Reber leidet an einer psychischen Erkrankung, einer jahrelangen komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (KPTBS). Sie hat sich in den letzten fünf Jahren viele und schwere Wunden zugefügt. Dies macht sie aber nur, wenn sie in einem dissoziativen Zustand ohne Bewusstsein ist. «Es können lebensbedrohliche Verletzungen sein. Sie selbst fühlt keinen Schmerz», erklärt Raphael Reber. Sie benutzt beispielsweise Rasierklingen. Sie habe sich bei beiden Fersen die Achillessehne durchtrennt. «Ich bin jetzt nicht mehr stabil auf den Füssen und habe Schmerzen», sagt seine Frau. Sie hofft, dass durch eine Operation allenfalls Achillessehnen eingesetzt werden können.

Die 33-Jährige hat sich nicht nur an Beinen und Füssen, sondern überall am Körper verletzt. Sie sagt, dass ihr Körper kaputt sei. Meistens müssten die zugefügten Verletzungen im Spital behandelt werden. Und wenn seine Frau im Spital aufwache, wisse sie von nichts, wundere sich, warum sie nicht zu Hause sei.

Um solchen Situationen vorzubeugen, haben Rebers Dexter zu sich geholt. Er ist als medizinischer Assistenzhund ausgebildet und spürt, wenn mit seinem Frauchen etwas nicht stimmt. Er schläft neben dem Bett und reagiert, wenn Riana Reber Albträume hat. «Um mich zurückzuholen bellt er laut oder leckt mir das Gesicht ab, bis ich wieder da bin.» Dexter habe sie schon vier Mal aus dissoziativen Zuständen geholt. Solche Vorfälle setzten ihr zu, sie sei danach jeweils sehr erschöpft.

Dexter wurde zwei Jahre lang für diese spezielle Aufgabe ausgebildet, die Übergabe und Einführung dauerte vier Wochen. Alles zusammen samt Anschaffung des Hundes hat rund 50'000 Franken gekostet – viel Geld. Das eingereichte Gesuch bei der Weihnachtsaktion «Ostschweizer helfen Ostschweizern» wurde positiv beantwortet. OhO hat 2000 Franken beigesteuert. Rebers versuchen nun, auch von Stiftungen oder Privatpersonen Spenden zu erhalten.

Dexter gibt dem Tag Struktur

Riana Reber ist in Erlen mit einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester aufgewachsen, hat nach der Schule eine Lehre als Fachangestellte Betreuung (Fabe) absolviert und mit Kindern gearbeitet. Mit 26 Jahren ist die posttraumatische Belastungsstörung ausgebrochen, die junge Frau verbrachte drei Jahre in der Psychiatrischen Klinik in Münsterlingen, wurde dann in die Psychiatrische Klinik Wil und schliesslich in jene in Winterthur verlegt.

Heute lebt sie mit ihrem Mann in einer hübschen Wohnung in St.Gallen-Bruggen. Sie kann den Alltag aber nicht mehr allein bewältigen, wird von Therapeuten, der Spitex und Menschen aus ihrem Umfeld begleitet.Immer an ihrer Seite ist Dexter, der ihrem Tag Struktur gibt. Und sie müsse Verantwortung übernehmen. Sie wagt sogar schon allein Spaziergänge mit ihm. Als Vorsichtsmassnahme trägt sie jeweils ein gelbes Merkblatt um ihren Hals. Darauf steht, wie sich Menschen verhalten müssen, wenn sie Riana Reber in einem regungslosen Zustand antreffen und sie nicht mehr ansprechbar ist. Der Vierbeiner trägt ein «Mänteli», auf dem steht, dass er ein medizinischer Assistenzhund ist.

Die junge Frau ist dank vieler Therapien und Dexter so weit, wieder aktiv am Leben teilzunehmen. Sie könne zwar nicht mehr Auto fahren oder Sport treiben. Aber sie könne sich im Stadion die Spiele des FCSG anschauen und ab und zu ein Schüga trinken. Das bereite ihr grosse Freude. Mit dem FCSG hat auch ihr Weihnachtswunsch zu tun: Sie wünscht sich ein Trikot des Clubs, das von allen Spielern unterschrieben ist. Und wenn sie noch einen Wunsch frei hätte, würde sie sich ein Autogramm von Torwart Lawrence Ati Zigi wünschen.

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St.Galler Tagblatt/Rita Bolt
veröffentlicht: 17. Dezember 2023 12:51
aktualisiert: 17. Dezember 2023 12:51
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