Nach tödlichem Streit: Bedingte Freiheitsstrafen – «nicht erwiesen, dass sie ihn töten wollten»

Quelle: TVO

Im September vor zwei Jahren nahm eine Schlägerei in St.Gallen ein tödliches Ende. Beim Fluchtversuch spiesste sich ein 20-Jähriger an einem Zaun auf. Nun wurden drei Männer wegen des vorangegangenen Streits verurteilt.

Es war eine unübersichtliche Auseinandersetzung in der verhängnisvollen Nacht auf den 19. September 2021 in der Stadt St.Gallen. «Jeder hat mit jedem geschlägert. Die Verletzungen waren aber sehr gravierend und der Ausgang dieser Schlägerei sehr tragisch», heisst es von der Staatsanwaltschaft. Ein 20-Jähriger war tödlich am Zaun aufgespiesst worden. Nun läuft der Prozess gegen drei involvierte Männer.

«Erhebliche kriminelle Energie»

Anwesend am Kreisgericht St.Gallen sind auch die Schwester und Freundin des Verstorbenen. Der Schwester steht die Trauer ins Gesicht geschrieben. Ihr kommen immer wieder Tränen und sie zuckt zusammen, sobald Details über die verhängnisvolle Nacht besprochen werden.

Laut Anwalt der Familie des Opfers ist es keinesfalls eine wechselseitige Auseinandersetzung gewesen. «Die drei Opfer waren am Schluss nicht mehr ansprechbar, wogegen die drei Beschuldigten unverletzt blieben. Es handelte sich um einen einseitigen Angriff. Der Verstorbene hat sich nicht tätlich zur Wehr gesetzt. Mit der Verfolgung haben die Rivalen in Kauf genommen, dass das Opfer Verletzungen erlangt. Es war eine erhebliche kriminelle Energie in der Luft.» Die Familie leide bis heute an den Folgen, viele von ihnen seien in psychischer Behandlung. Darunter die Mutter und die beiden Schwestern des Opfers.

Auch die Anwältin des mittelschwer verletzten Opfers sagt, es habe keine Wechselseitigkeit beim Streit gegeben. «Die Verletzungsbilder meines Mandanten sprechen für einen Angriff. Noch heute träumt er von dieser Nacht und leidet unter den zerfallenen Freundschaften, Jobverlust und kaputten Beziehungen.»

Angeklagte bleiben meist kalt

Die Stimmung bei den Beschuldigten ist kühl, sie wirken sehr gefasst. Nur gelegentlich verändert sich ihre Mimik leicht und sie reiben sich die Augen. Alle Angeklagten sprechen am Schluss der Verhandlung ihr Beileid gegenüber der Opferfamilie aus. Alle drei betonen, dass sie diesen Ausgang nie gewollt haben.

Einer der beiden mutmasslichen Verfolger beteuert seine Unschuld. «Es stimmt nicht, dass ich das Opfer an den Zaun getrieben habe», sagt er. Laut Richter gibt es ein Handyvideo, auf welchem ersichtlich ist, wie er aus dem Gebüsch mit dem Zaun kommt.

Der dritte Angeklagte soll einem Freund des Todesopfers ins Gesicht geschlagen haben, und so einer der Auslöser der Auseinandersetzung gewesen sein. Er sagt aus: «Die andere Gruppe hat uns provoziert. Einer ist mit einer Flasche herumgerannt, ich habe ihn nur geschlagen, um ihn ausser Gefecht zu setzen.»

Staatsanwaltschaft hält an Anträgen fest

Die Staatsanwaltschaft hält an der Anklageschrift fest. «Sämtliche Beschuldigten sind geständig, den Freund des Todesopfers geschlagen zu haben. Das mittelschwer verletzte Opfer und das Todesopfer will jedoch niemand geschlagen haben. Mehreren Zeugenaussagen nach ist das Todesopfer zum Gebüsch und dem Zaun geflüchtet und dort lebensgefährlich verletzt worden.» Das Todesopfer habe laut Gerichtsmedizin Kokain und rund 1,5 Promille Alkohol im Blut gehabt.

Der ganze Streit habe mit der Einmischung von einem der Angeklagten begonnen. Laut Staatsanwaltschaft St.Gallen haben die beiden anderen Rivalen zugeschlagen und anschliessend das Todesopfer verfolgt und versucht, auch ihn zu schlagen. Sie fordert für die beiden Verfolger jeweils 18 Monate bedingte Haftstrafe. Beide von ihnen wurden seit der Tat mehrmals verurteilt wegen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz.

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«Es bleibt unklar, was hinter der Hecke beim Zaun passiert ist»

Die Anwälte der drei Beschuldigten sind sich einig: Die Angeklagten können nicht für den Tod des 20-Jährigen verantwortlich gemacht werden. «Es bleibt unklar, was hinter der Hecke beim Zaun passiert ist. Es gibt nur Mutmassungen.» Auch aus dem Handyvideo solle man keine falschen Schlüsse ziehen. Man sehe dort nur, wie die beiden Beschuldigten vom Busch weglaufen, nicht jedoch, wie sie dorthin gekommen sind.

Ein Anwalt zitiert seinen Mandanten: «Es war eine normale Schlägerei.» Niemand habe ahnen können, dass jemand stirbt. Der ganze Fall bleibe unklar. Alle drei Anwälte fordern deshalb eine Strafminderung, einer fordert den Freispruch für seinen Mandanten.

Bedingte Freiheitsstrafen ausgesprochen

Der Beschuldigte, der als erster Verfolger ausgemacht wurde, erhält wegen Raufhandels sowie wegen versuchter einfacher Körperverletzung eine bedingte siebenmonatige Freiheitsstrafe mit einer Probezeit von drei Jahren.

Der zweite Beschuldigte wird ebenfalls wegen Raufhandels sowie wegen versuchter einfacher Körperverletzung zu einer bedingten siebenmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der dritte Beschuldigte erhält wegen Raufhandels und versuchter einfacher Körperverletzung eine bedingte, achtmonatige Freiheitsstrafe mit einer Probezeit von drei Jahren.

Das Gericht sieht es als erwiesen, dass tätlich gegen die drei Opfer vorgegangen wurde. «Es ist klar, dass dem Opfer ins Gesicht geschlagen wurde», so der vorsitzende Richter. Doch der Tod des 20-Jährigen hätten sie nach Ermessen des Richters nicht in Kauf nehmen können. «Es ist nicht davon auszugehen, dass sie ihn töten wollten», so der Richter.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

veröffentlicht: 31. August 2023 13:20
aktualisiert: 1. September 2023 05:40
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