HSG-Professor wegen Schluder-Studie in Deutschland verurteilt

Wolfgang Stölzle ist seit Dezember 2022 in einen Plagiatsfall verwickelt. Und: Der 61-jährige HSG-Professor scheint noch mehr Leichen im Keller zu haben. Das zeigen zumindest Recherchen des St.Galler Tagblatts – und ein rechtskräftiges Urteil aus Hamburg.

Es ist ruhig geworden rund um die HSG und um ihre Skandale. Bis jetzt. Wie das «St.Galler Tagblatt» ans Tageslicht bringt, wurde Wolfgang Stölzle in Hamburg verurteilt. Grund dafür sind unter anderem fehlende Quellen in einer veröffentlichten Studie.

Der Anwalt von Wolfgang Stölzle – Marcel Aebischer – lässt den Tagblatt-Artikel über seinen Mandanten nicht so stehen. Er schreibt in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber FM1Today: «Die Berichterstattung des St.Galler Tagblatts ist zu grossen Teilen unzutreffend, indem Fakten aus dem Zusammenhang gerissen, gar nicht erwähnt oder tatsachenwidrig dargestellt werden.» Und weiter: «Dies erfolgte teilweise bewusst, teilweise in Unkenntnis der Ergebnisse der Administrativuntersuchung der HSG.»

250'000-Euro-Busse oder Ordnungshaft

Hintergrund für die Aussage von Aebischer ist die Recherchearbeit des Tagblatts. Resultat dieser Nachforschungen: Stölzle wurde vom Landgericht Hamburg verurteilt. In einem Prozess, bei dem sich zwei grosse Logistikunternehmen vor Gericht über Nutzung und Kosten von Pharma-Luftfrachtbehältern stritten, war der Professor involviert.

Das Institut für Supply Chain Management (ISCM) an der HSG wurde von einem der zwei Logistikunternehmen dazu beauftragt, eine Studie durchzuführen. Die 47 Seiten wurden demnach auch im Februar 2021 publiziert.

Autor der Studie ist – zusammen mit einem anderen Professor – ein gewisser Wolfgang Stölzle. Seine Studie basiert unter anderem auf Experteninterviews. Doch konnte er weder dem klagenden Unternehmen noch dem Gericht seine Quellen offenlegen. Einige der Erkenntnisse in Stölzles Studie sind – gemäss dem Gerichtsurteil – schlicht und einfach geschätzt worden.

Das Landgericht Hamburg verurteilt Wolfgang Stölzle mit einer bedingten Busse von bis zu 250'000 Franken.

© St.Galler Tagblatt, Raphael Rohner

Besonders brisant: Das Honorar für seine Arbeit rechnete Stölzle über seine private Beratungsfirma «Logistics Advisory Experts GmbH» ab, wie das St.Galler Tagblatt berichtet. Das Geld des Forschungsauftrags fliesst also in die private Firma des Professors.

Gleichzeitig wird die Studie auf der Website von Stölzles Beratungsfirma und in der Hochschuldatenbank der Universität publiziert.

Die Firma gibt auf ihrer Webseite an, ein Spin-Off der St.Galler Uni zu sein. Die wissenschaftliche Tätigkeit der Autoren an der HSG wird ebenfalls mehrfach erwähnt.

© logistics-advisory-experts.ch

Das Gericht verurteilt Stölzle und einen weiteren Autor der Studie zu einer bedingten Strafe von 250'000 Euro oder ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, sofern die Studie und deren Inhalt in irgendeiner Form noch einmal publiziert werden sollte. Das Urteil gegen Stölzle ist rechtskräftig.

Gegenüber dem St.Galler Tagblatt erklärt Anwalt Marcel Aebischer: «Das Verfahren vor dem Landgericht Hamburg steht in keinerlei Zusammenhang zum aktuellen Verfahren meines Klienten an der HSG. Es betrifft ausschliesslich die Firma, an der mein Klient beteiligt ist, und hat nichts mit dessen Rolle als Professor zu tun.»

Stölzle ist kein unbeschriebenes Blatt

Nachdem der Plagiatsskandal die St.Galler Elite-Uni im Dezember letzten Jahres erschüttert hat, reagierte die Schule mit der zwischenzeitlichen Freistellung von Wolfgang Stölzle. Mittlerweile arbeitet der 61-Jährige wieder auf dem Rosenberg.

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Konkret wird ihm vorgeworfen, der Habilvater eines anderen Professors zu sein, der wiederholt plagiiert, also abgeschrieben haben soll. Betroffen sollen die Doktorarbeit und die Habilitation – welche zum Lehren an Universitäten berechtigt – sein.

Du hast den Überblick verloren? Hier eine zeitliche Einordnung des HSG-Plagiatsskandals:

Zudem soll Stölzle am Institut für Supply Chain Management eine problematische Führungskultur entwickelt und dienstliche und private Interessen stark vermischt haben, wie es in einer Medienmitteilung der Universität St.Gallen vom Juni 2023 heisst.

Plagiatsuntersuchung dauert an

Die jüngste Verurteilung vor dem Hamburger Gericht belastet Stölzle nun zusätzlich. Denn: Die Universität St.Gallen lässt das Urteil des Landgerichts in die laufende Untersuchung gegen Stölzle einfliessen, bestätigt die Universität schriftlich auf Anfrage von FM1Today:

«Am Montag, den 20. November 2023, hat die Universität St.Gallen das Urteil des Landgerichts Hamburg erhalten. Jetzt werden das Urteil und der zugrundeliegende Sachverhalt ausgewertet. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fliessen in die laufende Untersuchung zu Herrn Stölzle und die daraus zu ziehenden juristischen Folgerungen ein.»

Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, befinden sich aber laut der HSG in der Endphase. So oder so lässt sich aber festhalten: Die Luft für Professor Stölzle, sie wird dünner.

Wie die SP des Kantons St.Gallen mit einer einfachen Anfrage an die St.Galler Regierung auf das Plagiats-Verfahren reagiert, siehst du im Video oben.

(les)

veröffentlicht: 23. November 2023 19:16
aktualisiert: 27. November 2023 22:41
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