Waren beim Tötungsdelikt in Mels K.O.-Tropfen im Spiel? Verteidigung fordert Freispruch

Quelle: TVO

Nach einem intensiven Verhandlungstag vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland fordert die Verteidigung des Angeklagten einen kompletten Freispruch des mutmasslichen Täters. Laut ihren Aussagen soll der Beschuldigte K.O-Tropfen verabreicht bekommen haben.

Es ist ein regnerischer Tag im Sarganserland, als das düstere Kapitel der Melser Fasnacht 2022 heute vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland behandelt wird. Dem 20-jährigen Schweizer aus der Region wird vorgeworfen, im Alkoholrausch einen 45-jährigen Italiener mit Stichen in die Augen mit einen Regenschirm umgebracht zu haben.

Was laut Anklageschrift an dem Abend genau passiert ist, liest du hier.

Er soll eine Substanz verabreicht bekommen haben

Die Anwältin des Beschuldigten fordert in ihrem Plädoyer am Donnerstagnachmittag einen kompletten Freispruch. «Unbestritten ist, dass das Opfer durch den von Anfang an geständigen Täter gestorben ist.» So die Anwältin in ihrer Rede. Bestreiten will sie jedoch die rechtliche Würdigung durch die Staatsanwaltschaft. Laut ihrer Aussage befand sich der damals 19-Jährige zum Tatzeitpunkt in einer psychotischen Verfassung.

Nicht der Alkoholkonsum des Beschuldigten hätte zur Tat geführt. Er sei zuvor noch nie aggressiv gewesen in betrunkenem Zustand. Vielmehr habe er bis zur Tatnacht jeweils traurig, melancholisch und ruhig auf Alkohol reagiert.

Er habe einen totalen Blackout erlitten, einen Filmriss, wie er ihn in diesem Ausmass noch nie erlebt hatte. Die Anwältin geht davon aus, dass dem Beschuldigten K.O-Tropfen oder eine ähnliche Substanz verabreicht wurde. Die Substanz hätte bei dem mutmasslichen Täter eine extreme Verschiebung der Wahrnehmung verursacht «eine Art patologischer Rauschzustand». Somit sei es keine selbstverschuldete Unzurechnungsfähigkeit, die zur Tat geführt habe.

Opferfamilie möchte ein weiteres Gutachten des mutmasslichen Täters

Der Anwalt der Privatklägerschaft hatte zuvor ein neues psychiatrisches Gutachten zum Beschuldigten gefordert. Die Zeugenaussagen einer Polizistin – sie sagte am Morgen aus – würden ein ganz neues Licht auf den Fall werfen. Hinzu komme die Argumentation der Staatsanwaltschaft, welche für die Privatkläger nicht nachvollziehbar und viel zu milde sei. Der Täter sei gemäss dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin dem Opfer klar körperlich überlegen gewesen. So hätte es dem Täter möglich sein müssen, ohne weiteres das Zimmer des Opfers verlassen zu können. «Was hier für eine Kraft angewendet werden musste, ist kaum vorstellbar», so der Anwalt der Opferfamilie über das Tötungsdelikt.

Die Mitteilung über den Tod des Opfers hätte dessen sieben Geschwister schockiert. Sie hätten einen intensiven Kontakt gepflegt. Die Grausamkeit der Tat und Verbundenheit der Angehörigen zum Opfer würden die Genugtuung rechtfertigen. Alle Geschwister sollen je 10'000 Franken erhalten. Insgesamt wird seitens Privatklägerschaft einerseits eine Schadenersatzforderung von 650'000 Franken und andererseits eine Genugtuungsforderung von 140'000 Franken gefordert.

Immer wieder an der Bar gebetet

Zu Beginn der Verhandlung wurde eine Zeugin befragt, eine Polizistin aus der Region. Sie sagte aus, dass sie den Beschuldigten in einer Bar an der Fasnacht länger beobachtet habe, während dem er wiederholt gebetet habe. Er habe dabei ruhig gewirkt und für eine gewisse Zeit keine alkoholischen Getränke konsumiert. Der Anwalt der Privatkläger zog daher ein bereits erstelltes Gutachten in Zweifel.

Angeklagter zeigt sich geständig – mit vielen Erinnerungslücken

Bereits am Morgen äusserte sich der Angeklagte zu den Vorwürfen. Auf die Frage, wieso er nach dem ersten Stich ins Auge nicht aufgehört – das Opfer lag zu diesem Zeitpunkt bereits widerstandsunfähig auf dem Rücken – und trotzdem noch den zweiten, tödlichen, Stich gemacht hatte, sagt er: «Ich weiss es nicht.» Dieselbe Antwort gibt er, als er gefragt wird, wie er in seinem Zustand die beiden Augen des Opfers treffen konnte. Während der Tat wies der damals 19-Jährige zwischen 1,21 und 2,09 Promille im Blut auf.

Gemäss des Gutachtens eines Psychiaters sei der junge Mann durch den massiven Alkoholkonsum zum Tatzeitpunkt «steuerungsunfähig» gewesen. Der Psychiater selbst kann an der Verhandlung nicht befragt werden, da er in der Zwischenzeit verstorben ist. Der 20-Jährige könne sich nicht erklären, wie es soweit kommen konnte, er habe noch nie so etwas erlebt. «Ich muss jetzt damit leben. Es ist extrem schlimm, es tut mir sehr leid, aber ich kann es jetzt nicht mehr ändern», so der Angeklagte vor dem Gericht. Auch wenn er gerne mehr Antworten liefern wolle, könne er das nicht.

Staatsanwaltschaft fordert bedingte Freiheitsstrafe

Die Forderung der Staatsanwaltschaft: Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tötung in zurechnungsunfähigem Zustand und eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten, abzüglich 47 Tage Untersuchungshaft. Der Vollzug sei bedingt aufzuschieben mit einer Probezeit von zwei Jahren.

Der Strafrahmen bei «Begehen einer Tat im Zustand selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit» lässt nicht mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe zu. Strafmildernd würden sich die aufrichtig gezeigte Reue und der reine Leumund auf den Angeklagten auswirken, weshalb die Staatsanwaltschaft nicht auf die Höchststrafe klagt.

Die Staatsanwaltschaft wies den Antrag der Privatklägerschaft auf ein weiteres psychlogisches Gutachten am Donnerstagnachmittag ab. Die Sache mit den K.O-Tropfen, welche von der Verteigung erwähnt wurde, sei für die Staatsanwaltschaft eine blosse Behauptung.

Das Urteil wird am Freitagnachmittag durch das Gericht bekannt gegeben.

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veröffentlicht: 1. Februar 2024 13:13
aktualisiert: 2. Februar 2024 11:52
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