Tod der Sexpartnerin: St.Galler Arzt wehrt sich gegen Vorwürfe – Urteil steht aus

Einem St. Galler Arzt wird vor dem Kantonsgericht fahrlässige Tötung vorgeworfen. Das Kreisgericht hatte ihn freigesprochen. (Archivbild)
© KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER
Einem St.Galler Arzt wird nach dem Tod seiner Sexpartnerin fahrlässige Tötung und Unterlassung der Nothilfe vorgeworfen. Am Mittwoch wehrte sich der 58-jährige Schweizer vor dem Kantonsgericht St.Gallen gegen die Vorwürfe. In erster Instanz war er freigesprochen worden. Das Urteil steht noch aus.

Der Chefarzt und die 32-jährige Ärztin hatten sich bei der Arbeit im Tessin kennengelernt und waren im Frühjahr 2015 eine sexuelle Beziehung eingegangen. Im August verabredeten sie sich in der Wohnung des Mannes. Am frühen Abend traf die Frau dort ein. Sieben Stunden später alarmierte er die Polizei. Er habe Besuch, nun sei die Frau verstorben, sagte er am Telefon.

Im März 2021 kam es zur ersten Verhandlung vor dem St.Galler Kreisgericht. Dort warf die Staatsanwaltschaft dem Arzt fahrlässige Tötung vor, weil der Tod der Partnerin eine direkte Folge von harten sexuellen Praktiken gewesen sei. Als Arzt hätte er sich der Risiken bewusst sein müssen. Er habe es auch unterlassen, einen medizinischen Notruf abzusetzen und lebensrettende Massnahmen zu ergreifen.

Das Kreisgericht sprach den Mann frei. Die Aussagen des Beschuldigten seien glaubhaft gewesen, hielt die Einzelrichterin fest. Aufgrund der Akten sei zudem klar, dass die sexuelle Beziehung einvernehmlich gewesen sei. Die Angehörigen der Frau waren mit dem Urteil nicht zufrieden und zogen den Fall weiter ans Kantonsgericht.

«Ein Alptraum»

«Ich habe mit dem Ableben der Frau nichts zu tun», sagte der Beschuldigte am Mittwoch in der Berufungsverhandlung. Es habe keine harten und brutalen Sexspiele gegeben. Sie hätten während rund drei Stunden im Schlafzimmer mit Pausen Sex gehabt. Danach sei sie aufgestanden, um zu rauchen.

Irgendwann sei er aufgewacht. Nach einem Rundgang durch die Wohnung habe er realisiert, dass die Frau über der Brüstung des Balkons hing. «Ich dachte, sie sei eingeschlafen», sagte er. Dann habe er gesehen, dass sie milchig trübe Pupillen, Schaum vor dem Mund und dunkelviolette Lippen hatte. Eine Reanimation habe keinen Sinn mehr gemacht. «Es ist ein Alptraum für mich, es ist ein Alptraum für die Familie», sagte der zweifache Vater.

Spuren verwischt

Der Rechtsvertreter der Privatkläger verlangte eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, Unterlassung der Nothilfe oder wegen eines untauglichen Versuchs der Nothilfe. Er forderte eine Genugtuung von je 45‘000 Franken für die Eltern und je 10‘000 Franken für die beiden Geschwister der verstorbenen Ärztin.

Der Beschuldigte habe Spuren verwischt und falsche Fährten gelegt. «Bevor die Polizei kam, räumte er die Sexspielsachen weg und putze die Wohnung», so der Anwalt der Familie. Für die Verletzungen auf dem Körper der Frau komme nur er in Frage. Der Beschuldigte habe die Fesselspiele anfangs noch abgestritten. Freundinnen habe das Opfer aber von gewalttätigen Sextreffen mit dem Chefarzt erzählt.

Der Vater der Verstorbenen richtete ein emotionales Statement an das Gericht. Er sei wütend, sagte er auf Italienisch und hielt den Richtern Fotos von seiner Tochter und der Familie vors Gesicht. Er sei seiner geliebten Tochter beraubt worden. Er sei müde. In den letzten acht Jahren habe er sich jede Nacht gefragt, weshalb der Beschuldigte damals noch die Gläser abgewaschen habe. «Meine Tochter verdient die Wahrheit», sagte er.

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Nicht die erste Liebesnacht

Die Staatsanwaltschaft war nicht vertreten. Sie hatte die Abweisung der Berufung beantragt. Die Privatkläger hätten die Berufungsverhandlung erzwungen, sagte der Verteidiger des Arztes. Er forderte die Bestätigung des Urteils der Vorinstanz und einen vollumfänglichen Freispruch. Die Zivil- und Entschädigungsforderungen seien abzuweisen.

Die Privatklägerschaft stehe mit ihrer Kritik am Obergutachten allein da. Es gebe keine Hinweise auf eine gewaltsame Fremdeinwirkung. Der Körper der Frau habe nur Bagatellverletzungen aufgewiesen. «Es wird ausgeblendet, dass es schon mehrere Liebesnächte gab», sagte er. Die Verstorbene sei selbst Ärztin gewesen und sie habe am besten gewusst, wie es um ihre Gesundheit stehe. Das Urteil steht noch aus. Es wird in den nächsten Tagen schriftlich eröffnet.

(sda/red.)

veröffentlicht: 6. Dezember 2023 09:27
aktualisiert: 6. Dezember 2023 16:34
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