Liegengelassene Zelte – diese Lösung soll an Festivals Abhilfe schaffen

Die Zelte des jungen Start-ups sind extra für den Gebrauch an Festivals konzipiert.
© niuway
Der Countdown hat offiziell begonnen: Zu Beginn der Festivalsaison steigt nicht nur die Vorfreude, sondern auch die Verkaufszahlen der Zelte im Supermarkt steigen. Nachhaltigkeit? Fehlanzeige. Ein Schweizer Start-up sagt der Wegwerfmentalität den Kampf an.

«I am a V.E.P.: Very Ecological Person.» Wer das letztes Jahr am Openair Frauenfeld von sich behaupten konnte, hat sie garantiert gesehen. Die weissen, mietbaren Zelte des jungen Start-up-Unternehmens Niuway. Auch an anderen Veranstaltungen in der Schweiz und in Österreich wurden diese Zelte schon angeboten. Dieses Jahr werden sie erstmals am OpenAir St.Gallen erhältlich sein. Doch wer steckt hinter der Idee?

Bündelung der Kompetenzen

Viele Zelte sind im Detailhandel spottbillig und verleiten manche Festivalgängerinnen und -gänger zum nachlässigen Umgang.

Florian Felder arbeitete in einem Sportgeschäft und war zuständig für den An- und Verkauf von Zelten. «Diese sind nicht darauf ausgerichtet, repariert und wiederverwendet zu werden.» Felder fühlte sich mitverantwortlich für das Einwegzelt-Problem. Für ihn war klar, dass er etwas gegen den Wegwerftrend unternehmen wollte.

Einer, den das Problem ebenfalls störte, war Andreas Bär. Auch er suchte nach einem nachhaltigen Produkt gegen den gravierenden Zeltabfall. Bär entwickelte bereits einen Prototypen sowie strategische Ideen für ein nachhaltiges Campingkonzept, suchte aber jemand aus dem Metier. Dieses Know-how konnte ihm Florian Felder bieten. 2019 gründeten sie gemeinsam das Start-up-Unternehmen Niuway und entwickelten robuste und wiederverwendbare Zelte.

Rent, refresh, reuse

Die Zelte werden exklusiv für das Start-up-Unternehmen in China produziert. «Sie sind extra für den Gebrauch an Festivals konzipiert, mit nur einem Aussenzelt und ohne grosse Abspanner», sagt Felder. Durch das minimalistische Design können die Zeltbestandteile in einem Aufbereitungsprozess einfach gereinigt und gegebenenfalls repariert werden. So sind sie fünf bis sieben Mal wiederverwendbar.

«Im Vergleich würde die Neuanschaffung eines Zelts nach jeder Nutzung rund 9-mal mehr CO2-Emissionen verursachen als die Reinigung und häufige Wiederverwendung unseres Zelts über die gleiche Nutzungsdauer», so der Startup-Gründer.

Niuway arbeitet an einem Konzept, wie die Zeltabfälle wiederverwertet werden könnten: Zum Beispiel mit einem Campingstuhl.

© Florian Felder

Das Angebot wird nicht nur bei Zelten bleiben. Nächstes Jahr sollen auch andere Campingutensilien wie Schlafsäcke, Campingstühle oder Pavillons angeboten werden. «Die Leute sollen mit freien Händen anreisen können.»

Noch in den Kinderschuhen

2022 wurden rund 200 solche Zelte am Openair Frauenfeld angeboten. «Es ist üblich, dass man ein Produkt in der Testphase in kleiner Menge vorstellt und dann im zweiten Jahr aufgestockt wird», so Felder. Dieses Jahr plant Niuway 400 Zelte fürs OAFF ein, welche bereits als kleine Zeltstadt aufgebaut seien. Dazu kommen rund 150 weitere Pickup-Zelte vor Ort, welche eigenständig aufgebaut werden müssen.

Es sind auch Ansprechpersonen auf dem Festivalgelände verfügbar, falls es Fragen gibt, ein Hering fehlt oder eine Stange kaputt gegangen ist. Dieses Jahr wird auch erstmals das Pickup-Angebot von 100 bis 150 Niuway-Zelte am OASG eingeführt. Das Startup ist bisher zufrieden mit den bereits eingegangenen Anfragen, genaue Angaben gibt es jedoch keine.

Quelle: FM1Today/Jessica Kappeler

Komfort geht vor

Der Preis für ein Pickup-Zweimannzelt beträgt rund 66 Franken, was sich noch im preislichen Mittelfeld befindet. Allerdings macht das Start-up bisher die Erfahrung, dass eine grössere Nachfrage für die etwas teurere Comfort-Camping-Variante bestehe. «Die Leute haben keine Lust auf Zelte rumschleppen und wollen das lästige Aufbauen umgehen.»

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Green’n’clean

Auch das OASG hatte mit der Wegwerfmentalität zu kämpfen. Szenen der Verwüstung sorgten vor rund einem Jahrzehnt für Aufregung. Über 300 Tonnen Abfall wurden von den OASG-Feiernden zurückgelassen.

2014 glich das Sittertobel einem Schlachtfeld.

© Michel Canonica

Die Abfallproblematik in diesem Ausmass hat sich jedoch über die Jahre kontinuierlich verbessert. Das OASG sei stetig um die Verbesserung des Nachhaltigkeitskonzeptes bemüht, so Pascal Frei, Marketing- und Kommunikationsmanager des OpenAir St.Gallen.

Beispielsweise wurde 2014 ein Zeltdepot eingeführt. Diese Massnahme zeigt bis heute Wirkung: Im Einführungsjahr sind rund 25 Prozent der Zelte nach den Festivaltagen stehen geblieben, 2022 waren es nur noch ungefähr 10 Prozent. Natürlich hängt diese Rücklaufquote auch mit dem Wetter zusammen.

Aufbau in vollem Gange

Schon bald ist es wieder soweit, und das Sittertobel wird sich für über 100'000 Menschen in eine Festival-Pilgerstätte verwandeln. Hierfür kommen die Aufbauarbeiten und Vorbereitungen «sehr gut voran», meint Frei. «Die Personal- und Materialsituation hat sich im Vergleich zu 2022 massiv verbessert.»

(mnu)

veröffentlicht: 13. Juni 2023 18:43
aktualisiert: 13. Juni 2023 18:43
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