Entscheid am Dienstag: Macht die Schweiz zu wenig Klimapolitik?

Die Klimaseniorinnen im Oktober 2020 vor dem EGMR in Strassburg.
© Keystone/GEORGIOS KEFALAS
Ungenügende Klimapolitik und verletzte Menschenrechte in der Schweiz: Am Dienstag wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Urteil über die Klage der Klimaseniorinnen Schweiz verlauten. Das Bundesgericht gab dem Verein 2020 einen negativen Entscheid.

Der Verein Klimaseniorinnen Schweiz klagt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), weil die Schweiz eine ungenügende Klimapolitik betreibe und damit Menschenrechte verletze. Gerade ältere Frauen würden besonders unter den Folgen der Klimaerwärmung leiden.

Wieso leiden ältere Frauen unter der Klimaerwärmung?

«Der Klimawandel mit seinen immer häufigeren und intensiveren Hitzewellen ist lebensbedrohlich für ältere Personen, vor allem Frauen. Dies erleben wir persönlich und wird durch zahlreiche Studien wie auch durch Zahlen des Bundes bestätigt», heisst es auf der Website der Klima-Grosis.

Wieso sind vier Einzelklägerinnen dabei?

Eine Klage am EGMR ist nur zulässig, wenn der Opferstatus – also Personen, welche von der behaupteten Verletzung direkt oder indirekt betroffen sind – erfüllt ist. So ergibt es Sinn, dass im Verein nur Frauen über 64 Jahren dabei sind – denn die mutmassliche Menschenrechtsverletzung muss nachgewiesen werden.

Da die Grosis jedoch als Verein und nicht als Einzelpersonen klagen, werden sie von vier Einzelklägerinnen begleitet – so kann individuelle Betroffenheit geltend gemacht werden.

Wieso klagen die Grosis am EGMR?

Das Bundesgericht hatte die Beschwerde im Mai 2020 abgewiesen, da das «Recht auf Leben und Gesundheit der Beschwerdeführerinnen im heutigen Zeitpunkt nicht in hinreichender Intensität berührt» seien. Es bestehe noch Zeit, Massnahmen zu ergreifen, weswegen jetzt noch niemand die Einhaltung auf solche Ziele einfordern könne. Denn eine Überschreitung des «deutlich unter 2 Grad Celsius»-Ziels sei erst in mittlerer bis ferner Zukunft zu erwarten.

Zudem könnten sich aus diesem Grund in Bezug auf die Schweizer Klimapolitik weder die Klimaseniorinnen noch der Rest der Bevölkerung auf ihr Recht auf Leben und Gesundheit berufen. Und: Es mangelte nicht nur an der Klageberechtigung, auch die Menschenrechte der Klima-Grosis und der vier Einzelklägerinnen seien nicht verletzt, hiess es.

Nach dem negativen Entscheid des Bundesgerichts zogen die Klima-Grosis ihre Klage vor rund vier Jahren weiter an den EGMR in Strassburg. Mit dieser wollen die Klimaseniorinnen erreichen, dass die Schweiz dazu verpflichtet wird, den Klimaschutz zu stärken.

Es wird die erste Klimaklage, welche der EGMR verhandeln wird. Verhandelt wird das in der Grossen Kammer mit 17 internationalen Richterinnen und Richtern.

Was passiert, wenn die Grosis Recht bekommen?

Wenn die Klimaseniorinnen Recht bekommen, müsste die Schweiz die Menschenrechtsverletzungen beheben und Gesetze erlassen oder ändern. Dies würde zu einem Präzedenzfall für die 46 Mitgliederstaaten des Europarats führen. Somit müssten sich künftig alle diese Länder an der Rechtsprechung aus Strassburg orientieren.

Wenn das EGMR die Menschenrechte nicht als verletzt ansehe, könnte man dies quasi als Legitimation für weniger Klimaschutz verstehen, schrieb «SRF» in einem Interview mit einer Anwältin, die für die Grosis vor Gericht zieht.

(cs)

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veröffentlicht: 9. April 2024 05:15
aktualisiert: 9. April 2024 05:15
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