«Wir bleiben auf den Mehrkosten sitzen» – Bauer erklärt, wo der Frust sitzt

Quelle: BRK News / Keystone-SDA / CH Media Video Unit / Silja Hänggi

Seit Wochen protestieren die Landwirte. Bäuerinnen und Bauern wollen gehört werden. Ein Bauer aus Wittenbach spricht über die aktuelle Situation.

Seit Wochen protestieren Bäuerinnen und Bauern europaweit gegen die Agrarpolitik. Die Proteste sorgen seit Anfang Februar auch in der Schweiz für Aufsehen. Die Landwirte wollen mehr Anerkennung und bessere Entlöhnung. Ziel sei aber auch, dass die Menschen die Bauern besser wahrnehmen und verstehen.

Auf die Nachfrage, woher der ganze Frust komme, antwortet Landwirt Erich Eberle, der vor acht Jahren den Betrieb seiner Eltern in Wittenbach übernahm: «Es hat sich einiges in den letzten Jahren angesammelt.» Hier kommt er auf die Auflagen und Gesetze zu sprechen. Diese hätten sich in den letzten Jahren stark verschärft. Eberle ergänzt: «Zudem sorgen auch die steigenden Kosten für Unruhe.»

Die gesetzlichen Anforderungen vom Bund seien in den letzten Jahren massiv gestiegen, so auch die Kosten. Die Erlöse seien hingegen gesunken. «Der Handel verzichtet nicht auf seine eigenen Margen, sondern sie geben die Preissenkungen 1:1 den Produzentinnen und Produzenten weiter.»

Ein grosses Thema seien auch die Direktzahlungen. «Es hört sich nach viel Geld an, aber es darf nicht vergessen gehen, ein grosser Teil davon geht an Agroscope, also auch in die Forschung.» Hier ergänzt Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband: «Im Schnitt machen die Direktzahlungen einen Fünftel aus, die restlichen vier Fünftel holen die Bauern aus ihren Verkäufen rein. Zudem wurden die Direktzahlungen, seit es sie gibt, nie den Preiserhöhungen angepasst.»

Jeder Schweizer Landwirtschaftsbetrieb muss den ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) erfüllen, damit er Direktzahlungen erhält.

Die Bauernbetriebe müssen folgende Kriterien einhalten, um Direktzahlungen zu erhalten:

Kriterien für Direktzahlungen
© Schweizerbauern.ch

Kleiner Fehler – grosse Auswirkungen

Diese hohen Anforderungen seien neben dem Alltagsbetrieb eine grosse Herausforderung.

«Zum Beispiel im Frühling, dann sind wir mit Hochdruck auf unseren Feldern unterwegs. Das heisst, wir starten in der Früh und kommen teilweise nicht vor 23 Uhr nach Hause.» Wenn dann durch den Kontrolldienst eine Prüfung zum ÖLN erfolgt und in der Dokumentation ein Eintrag fehle, dann habe dies fatale Konsequenzen.

«Bei diesen Auflagen gibt es keine Toleranzen. So können wir uns auch keine Fehler leisten. Und es wird für uns richtig teuer. Zudem müssen wir auch von Direktzahlungskürzungen ausgehen.» Genau dies stellt gemäss Eberle die meisten auf eine psychische Probe. Unter anderem gibt es keine Nachfristen. Das Nichterfüllen der gesetzlichen Auflagen wird direkt gebüsst. «Ich höre es oft von älteren Bauern, die froh sind, dass sie ihren Hof und auch ihre Belastung abgeben können.»

«Mehr Arbeit fürs gleiche Geld»

Ein Landwirt aus dem zürcherischen Elgg, Jörg Büchi, veröffentlichte ein Beispiel im Video: Würde man einem Mitarbeiter ein Drittel des Lohns streichen, könnte er dies nur mit einem 130-Prozent-Pensum wieder erreichen. «Mehr Arbeit fürs gleiche Geld.»

Dabei wollte er aufzeigen, was die hohen Anforderungen an die Landwirtschaft auslösen kann. Ihm wurden im Jahr 2023 die Versorgungssicherheitsbeiträge um rund ein Drittel gekürzt. Das bedeutet im Fall Büchi, rund 6000 Franken weniger Einkommen. Dafür kann er sich für Programme anmelden und so mit zusätzlichen Leistungen das fehlende Geld einholen.

Im Video erklärt Jörg Büchi, wie es mit den Programmen funktioniert.

Die zusätzlichen Programme vom Bundesamt für Landwirtschaft bietet den Landwirtinnen und Landwirten Möglichkeiten, jedoch holt Eberle aus: «Die sind teilweise so komplex zu erfüllen, dass viele Bauern sich das nicht antun wollen.» Hier steigen laut Eberle nicht nur die Fehlerquellen, sondern auch die möglichen Kürzungen. «Weil es die Auflagen so fordern, muss ich das Geld direkt investieren.»

Die Kürzungen schlagen auf das Einkommen und das beschäftigt die Landwirtschaft. «Ich bin verheiratet und habe drei Kinder im Schulalter. Wir wollen unseren Kindern auch mal etwas ermöglichen.» Wenn es immer mehr Auflagen gibt, wird der Leidensdruck auch immer grösser, so Eberle.

Erwartungen an Landwirtschaft vs. was im Laden effektiv gekauft wird

So spricht Eberle auch die Teuerung an, die die Produktionskosten in die Höhe treibt. «Bei vielen Familien ist das Budget bereits ausgereizt. Dass sie deshalb auf günstigere Import-Produkte zurückgreifen, ist teilweise verständlich.» Verständlich, aber trotzdem problematisch. Vermeintlich setzen die Konsumentinnen und Konsumenten auf Qualität und gute Tierhaltung, doch: «Oft bekennen sie sich zu Bio-Produkten, aber im Laden entscheiden sie sich dann trotzdem für die günstigere Variante.» Genau dieses Konsumverhalten verursacht bei den Bauern noch mehr Kosten.

Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband ergänzt mit einem Beispiel: «Der Verkauf von Schweinefleisch: 60 Prozent der Tiere leben in Label-Ställen und effektiv werden im Laden davon nur die Hälfte als Label-Produkt verkauft.» Somit geht die Hälfte der Produkte, die als Label produziert wurden, in den Standardverkauf. Den Preisunterschied zahlt ihnen niemand, die Produzentinnen und Produzenten bleiben darauf sitzen.

«Die Schnelllebigkeit macht uns in der Landwirtschaft oft einen Strich durch die Rechnung»

«Planungssicherheit ist das Wichtigste. Wir können nicht einfach auf jede Trendbewegung aufspringen.» Laut Eberle gibt es hier einige Spannungsfelder im System: «Auch hier, die Anforderungen der gesetzlichen Vorschriften machen es für uns nicht einfach. Wenn durch einen Trend eine Stallinvestition erforderlich ist, dann ist es rein von der Wirtschaftlichkeit oft auch nicht rentabel. Eine Abschreibung erfordert 25 Jahre oder mehr und diese langen Abschreibezeiten sind in vielen Bereichen überhaupt nicht realistisch.»

Der Bund hat der Schweizer Landwirtschaft Mindestanforderungen für den ÖLN vorgegeben. Zum Beispiel: Sieben Prozent der landwirtschaftlichen Betriebs-Nutzfläche müssen als Biodiversitätsförderfläche bewirtschaftet werden. Aktuell erreicht die Schweiz mehr, als gesetzlich gefordert wird: «Und es gibt gewisse Kreise, die wollen immer noch mehr und noch mehr. Das stösst bei uns allen auch auf Unverständnis. Wir haben doch die Mindestanforderungen erzielt.»

In der Schweiz sind gewisse Pflanzenschutzmittel verboten, welche in der EU immer noch eingesetzt werden. «Teilweise können wir gewisse Kulturen nicht mehr anbauen, da wir diese Pflanzen nicht mehr schützen können. Der Konsument spürt im Laden nichts davon, da die Regale trotzdem voll sind.» Voll mit Produkten aus dem Ausland, die die Detailhändler importieren. «Es ist für den Konsumenten weder deklariert noch wird es kommuniziert – und das können wir in der Landwirtschaft nur schlecht akzeptieren.»

Was würde helfen?

«Wir haben trotz Mehrkosten nicht mehr Ertrag.» Um Druck aus dem System zu nehmen, brauche es einerseits eine Erhöhung der Produzentenpreise um 5 bis 10 Prozent und den Verzicht auf Sparübungen bei der Landwirtschaft.

Laut Eberle wäre nur schon ein Preisaufschlag von 4 bis 6 Rappen auf 1 Liter Milch ein Lichtblick. Die Preiserhöhungen würden tausende Franken im Jahr ausmachen und könnten so für mehr Stabilität sorgen.

Bauernproteste für mehr Transparenz

Den Schweizer Bauern fehlt nicht nur das Geld, sondern auch die Wertschätzung. Eberle kann die Proteste nachvollziehen. «Wir dürfen auf die aktuelle Situation aufmerksam machen.»

Der Missstand ist weltweit zu hören. Der Unterschied in der Schweiz ist, dass die Anliegen der Landwirtschaft im Parlament oft Gehör finden.

Am 12. Februar hatten der Schweizer Bauernverband und weitere Organisationen eine von 65'000 Personen unterschriebene Petition mit Forderungen nach mehr Anerkennung des Engagements der Landwirtschaft an den Bund und verschiedene Grossdetailhändler übergeben. In der Petition wird der Bundesrat aufgefordert, nicht auf Kosten der Bauern zu sparen.

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veröffentlicht: 4. März 2024 19:32
aktualisiert: 4. März 2024 19:32
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