«Was ist das für ein System, das über 60-Jährige auf die Strasse stellt?»

Rund 3000 Spitalangestellte sind am Samstag in St.Gallen gegen den geplanten Abbau von 440 Stellen auf die Strasse gegangen. Sie fordern, dass die drastische Massnahme rückgängig gemacht wird.

440 Stellen sollen in den nächsten Monaten und Jahren an den St.Galler Spitälern abgebaut werden. Das Personal und die Menschen, die sich solidarisch mit den Betroffenen zeigen, sind deswegen am Samstagmittag bei einer Grossdemo durch die St.Galler Innenstadt zu Tausenden auf die Strasse gegangen.

«Entscheidungen rückgängig machen»

Alexandra Akeret, St.Galler SP-Stadtparlamentarierin und Gewerkschaftssekretärin beim Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD), sagt gegenüber TVO und FM1Today: «Es muss endlich etwas passieren. Die Politik muss aufgerüttelt werden.» Es müssten Entscheidungen rückgängig gemacht werden. «Die bereits gekündigten Stellen müssen wieder besetzt werden», fordert Akeret.

SP-Politikerin Alexandra Akeret will die Regierung und den Kantonsrat mit der Demo aufrütteln.
© TVO

Die Spitalleitungen hätten einiges verschlafen – so etwa die Digitalisierung. «Die Pflegenden müssen am Bett immer noch von Hand schreiben.» Es gebe deutlich bessere Wege zu sparen als beim Personal, ist Akeret überzeugt. Ohne genügend Personal könne die Gesundheitsversorgung nicht gewährleistet werden.

«Ohnmacht und Wut»

«Jene, die vom Stellenabbau betroffen sind, haben mir ganz traurige Geschichten erzählt. Mit ihnen möchte ich mich solidarisieren», sagt Annina Hutter, diplomierte Pflegefachfrau am Kantonsspital St.Gallen (KSSG). «Es herrscht im Team eine Ohnmacht und ein grosses Unverständnis. Die Stimmung ist bedrückt und viele sind wütend.»

Pflegefachfrau Annina Hutter zeigt sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen solidarisch.

© TVO

Die Grossdemo verlief gemäss St.Galler Stadtpolizei ohne Zwischenfälle. Laut VPOD waren rund 3000 Personen vor Ort, die Stapo zählte rund 2100 Anwesende.

Auch die St.Galler Stadtpräsidentin Maria Pappa nahm an der Kundgebung teil. «Es überrascht mich nicht, dass so viele Menschen gekommen sind», sagt die SP-Frau. «Es gab eine Zeit, in der wir für die Arbeit des Pflegepersonals geklatscht haben. Nun kann die Qualität ihrer Arbeit nicht mehr sichergestellt werden. In einer Zeit, in der man eigentlich auf gutes Personal angewiesen wäre.» Der Unmut und die Unzufriedenheit seien gut nachvollziehbar. Wichtig sei jetzt, das Gespräch mit dem Personal zu suchen, um Unklarheiten aus dem Weg zu räumen.

«System wird an die Wand gefahren»

«Es geht um sehr viel, es geht um unsere Gesundheitsversorgung», sagt die St.Galler SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Es müssten schleunigst gute Lösungen her – dabei sei die Politik klar mitverantwortlich. «Es kann nicht sein, dass wir zuschauen, wie Leute entlassen werden, die 20 Jahre am Spital gearbeitet haben. So wird das System an die Wand gefahren.» Und weiter: «Was ist das für ein System, das über 60-jährige Ärztinnen und Ärzte und Pflegefachpersonen auf die Strasse stellt?» Es müsse alles daran gesetzt werden, auf Kündigungen zu verzichten.

«Dramatische finanzielle Lage»

Grund für die geplante Massenentlassung ist gemäss den St.Galler Spitalverbunden die «dramatische finanzielle Lage». «Wir sind gezwungen, einschneidende Massnahmen zu treffen», sagte Verwaltungsratspräsident Stefan Kuhn Ende September bei einer Medienkonferenz. 440 der insgesamt 6700 Vollzeitstellen sollen wegfallen, das Kantonsspital St.Gallen ist mit 260 Stellen am stärksten betroffen. Und auch in Wil, Uznach und Grabs ist ein Personalabbau vorgesehen. In der Pflege sollen rund 120 Vollzeitstellen wegfallen.

In welchen Bereichen die Stellen genau gestrichen werden sollen – darüber hüllen sich die Verantwortlichen weiterhin in Schweigen. Ursprünglich hiess es, dass Ende Oktober klar sein soll, welche Mitarbeitenden ihren Job verlieren. «Grossmehrheitlich» seien die Kündigungen bereits erfolgt, wie das St.Galler Kantonsspital gegenüber FM1Today erklärte. Weil der Prozess länger dauere als angenommen, seien detaillierte Angaben frühestens Anfang Dezember möglich.

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veröffentlicht: 11. November 2023 13:17
aktualisiert: 13. November 2023 11:05
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