Walenstädter Vergangenheit holt ihn ein: SVP-Spitzenkandidat Hartmann muss vor Gericht

Christof Hartmann ist der Spitzenkandidat der St.Galler SVP für den frei werdenden Sitz im St.Galler Regierungsrat. Doch bevor es zur Wahl kommt, wird Hartmann von einer alten Geschichte eingeholt – er muss im Januar wegen mutmasslichen Amtsmissbrauchs vor Gericht antraben.

Es geht um eine simple Mauer, im Grunde nur um ein paar grosse Steine, überwachsen mit Gestrüpp und mit einem metallenen Zaun obendrauf. Doch die beschriebene Kombination ist Anlass für einen Rechtsstreit, der vor 25 Jahren seinen Anfang genommen hat – und eine Klage gegen SVP-Regierungsratskandidat Christof Hartmann.

Bauvorschriften missachtet

Der 47-jährige Hartmann ist derzeit Kantonsrat und will bei den Wahlen im kommenden März den Sprung in den St.Galler Regierungsrat schaffen. Seine Chancen stehen gut, da der Sitz des langjährigen SVP-Ratsmitglieds Stefan Kölliker wegen dessen Rücktritt frei wird und er sich parteiintern einzig gegen Ex-Kantonsärztin Dana Zemp durchsetzen muss. Doch zuvor muss er sich nun vor Gericht verantworten.

Die Verhandlung findet am 16. Januar 2024 statt, wie das Newsportal «Watson» schreibt. Hartmann wird Amtsmissbrauch vorgerworfen, Klägerin ist die Walenstädter Familie Ghaemmaghami. Der Hintergrund: Die eingangs erwähnte, 1998 von deren Nachbar erbaute Mauer steht teilweise auf dem Grundstück der Familie, ist deutlich zu hoch und entspricht nicht den ursprünglich bewilligten Baueingaben. So wurde der auf der Mauer angebrachte Metallzaun montiert, obwohl dafür keine Bewilligung vorlag.

Um diese Mauer geht es.

© Aylin Erol/watson

Gerichte gaben den Klägern schon mehrfach Recht

Kontrovers an dem Fall ist, dass die Familie Ghaemmaghami schon mehrfach vor Gericht Recht bekommen hat, gleich dreimal auch vor Bundesgericht. Doch geschehen ist nach den Entscheiden nichts. Und hier kommt Christof Hartmann ins Spiel. Der SVP-Mann sass von 2007 bis 2016 im Gemeinderat von Walenstadt. Er hat mehrfach die Anpassung von Verfügungen, die die Gerichte in ihren Urteilen erlassen haben, zugunsten des Nachbarn der Ghaemmaghamis mitgetragen und als damaliger Vizegemeindepräsident auch unterschrieben.

Weshalb der Gemeinderat die Umsetzung der Gerichtsentscheide nie stützte, ist ungeklärt. Die Familie Ghaemmaghami hat aber einen klaren Verdacht: Vetterliwirtschaft. Zwischen Mitgliedern des Gemeinderats und dem Erbauer der Mauer, einem regionalen Bauunternehmer, gibt es Verstrickungen, wie der «Blick» im vergangenen Jahr berichtete. Hartmann kennt ihn persönlich, wie aus einem Untersuchungsprotokoll hervorgeht, welches im Rahmen der Ermittlungen gegen die Gemeinde verfasst wurde und «Watson» vorliegt.

Während andere wohl schon lange klein beigegeben hätten, geben die Ghaemmaghamis, die eine Anwaltskanzlei betreiben, nicht auf. Den Klägern geht es mittlerweile vor allem ums Prinzip und den Rechtsstaat: «Ein Gemeinderat darf sich nicht einfach über richterliche Entscheide hinwegsetzen können», so Payam Ghaemmaghami.

Der Familie Ghaemmaghami geht es mittlerweile ums Prinzip – es könne nicht sein, dass ein Gemeinderat sich über Gerichtsurteile hinwegsetze.

© Aylin Erol/watson

Strafuntersuchung läuft seit 2016

Die Ghaemmaghamis beantragten die Strafuntersuchung 2016, 2020 erhob die Staatsanwaltschaft dann Anklage wegen Amtsmissbrauchs gegen Hartmann und einen weiteren ehemaligen Gemeinderat (FM1Today berichtete). 2022 wurde die Untersuchung auf sämtliche Mitglieder des aktuellen Gemeinderats ausgeweitet – diese sollen die Anpassung der Verfügungen zugunsten von Ghaemmaghamis Nachbar fortgeführt haben.

Am 16. Januar steht nun die Gerichtsverhandlung gegen Hartmann und den anderen Ex-Gemeinderat an. Ihm droht bei einer Verurteilung eine bedingte Gefängnisstrafe und eine Busse – und ein Imageschaden, welcher sich als Stolperstein in seiner politischen Karriere herausstellen könnte. Hartmann, für den die Unschuldsvermutung gilt, hat sich bisher nicht öffentlich zu den Vorwürfen geäussert.

Die St.Galler SVP steht allerdings hinter ihrem Spitzenkandidaten. Hartmann habe die Partei transparent über den Prozess informiert. Man erwarte einen Freispruch für ihn und die weiteren Angeklagten.

veröffentlicht: 21. Dezember 2023 11:04
aktualisiert: 27. Februar 2024 17:30
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