Ostschweiz
St. Gallen

Gerichtsurteile prägen St.Galler Öffentlichkeitsgesetz

Gerichtsurteile prägen St.Galler Öffentlichkeitsgesetz

Der St.Galler Kantonsrat wird sich in der kommenden Februarsession mit dem Öffentlichkeitsgesetz beschäftigen. (Archivbild)
© KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER
Im Kanton St.Gallen hat das Verwaltungsgericht mit verschiedenen Urteilen die Anwendung des Öffentlichkeitsgesetzes in der Praxis geklärt. Nach Ansicht von Regierung und Kommission braucht es nun noch eine Präzisierung bei den Zuständigkeiten.

Seit sieben Jahren gilt im Kanton St. Gallen der Grundsatz: alles ist öffentlich, das nicht für geheim erklärt wurde. Geregelt wird die Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips in einem Gesetz. Dessen Anwendung musste sich in der Praxis zuerst einspielen. Dafür brauchte es diverse Urteile des Verwaltungsgerichts.

Darunter waren auch Grundsatzentscheide: 2017 hielt das Gericht fest, dass das Öffentlichkeitsprinzip auch für amtliche Dokumente anwendbar ist, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes verfasst wurden.

Bei mehreren Urteilen ging es um Themen aus dem Linthgebiet. So etwa beim Entscheid, dass die Namen der Pächterinnen und Pächter von landwirtschaftlichem Land des Linthwerks auf ein Gesuch hin bekanntgeben werden müssen, weil mit der Verpachtung «eine hoheitliche Aufgabe erfüllt» wird. Gemeint ist der Hochwasserschutz.

«Fishing Expedition»

Hingegen lehnte das Verwaltungsgericht ein Gesuch ab, das es als «fishing expedition», taxierte. Verlangt worden war eine detaillierte Aufstellung von Zahlungen an den Linthingenieur in der Zeit zwischen 2000 und 2014. Das Gesuch hätte umfangreiche Rechercheaufträge durch staatliche Stellen ausgelöst, «die keinen Zusammenhang mit einem konkret umschriebenen Sachverhalt» aufwiesen, befand das Gericht.

Ebenfalls abgelehnt wurde ein Gesuch, das den Verwaltungsrat der St.Galler Spitalverbunde verpflichtet hätte, eine detaillierte Spartenrechnung für jeden Spitalstandort zu erstellen. Damit seien Unterlagen verlangt worden, die gar nicht existierten. Gegen diesen Entscheid ist laut Botschaft der Regierung allerdings noch eine Beschwerde vor Bundesgericht hängig.

Keine «fishing expedition» war nach Ansicht des Verwaltungsgerichts hingegen die Anfrage einer Anwältin, die alle Rekursentscheide und Rechtsauskünfte zugestellt haben wollte, bei denen es um Interessenskonflikte zwischen Nachbarn beim Thema Bäume und Sträucher ging und bei denen das öffentlich-rechtliche Fällverbot eine Rolle spielte.

In einem anderen Urteil wurde die Universität St.Gallen verpflichtet, Beiträge offenzulegen, die an bestimmte Verlage bezahlt wurden. In einer weiteren strittigen Frage ging es um den Streit zwischen dem Softwarehersteller Abacus und der Gemeinde Wittenbach rund um die Vergabe von Informatikaufträgen.

Das Bundesgericht hielt im Gegensatz zum Verwaltungsgericht fest, dass es sich bei den Leistungsverzeichnissen von früheren Aufträgen der Gemeinde an eine Lieferantin von Informatikdienstleistungen – der VRSG – nicht um ein Geschäftsgeheimnis handle. Diese Information müsse dem Konkurrenzunternehmen zugänglich gemacht werden.

Rechtsprechung konkretisiert

Insgesamt neun Gerichtsurteile führt die Regierung in ihrer Botschaft auf. Die Übersicht zeige, dass mit dem Öffentlichkeitsgesetz zwar nicht sämtliche Fallkonstellationen abgedeckt würden, dass unbestimmte Rechtsbegriffe aber durch die Rechtsprechung «weitgehend konkretisiert» worden seien.

Auf einen konkreten Fall geht auch die geplante Gesetzesanpassung zurück: 2015 musste die Rechtspflegekommission Amtsgeheimnisverletzungen rund um den Standort der Kantonsschule Wattwil untersuchen. Dabei gab es mehrere Gesuche um Einsichtnahme. Damals sei unklar gewesen, wer für die Behandlung der Gesuche zuständig war, heisst es in der Botschaft.

Diese Frage wird nun mit neuen Gesetzesbestimmungen geklärt, die für den Kantonsrat, aber auch für Gemeindeparlamente gelten. Danach entscheiden die Parlamente, wie sie der Öffentlichkeit Informationen zur Verfügung stellen. Die Verfahrensführung liegt bei den Parlamentsdiensten. Deren Leiterin oder Leiter ist zuständig, wenn beispielsweise Kommissionsprotokolle zugänglich gemacht werden sollen.

Der Vorschlag der Regierung wird von der zuständigen Kommission unterstützt. Im Kantonsrat ist das Geschäft für die kommende Februarsession traktandiert.

veröffentlicht: 1. Februar 2022 13:02
aktualisiert: 1. Februar 2022 13:02
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