Frauen EM: Kein einziges Gesuch für Public Viewing in St.Gallen

Das tut weh: In der Stadt St.Gallen ist kein einziges Gesuch für ein Public Viewing eingegangen.
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Die Fussball-EM der Frauen beginnt in Kürze, zu spüren ist davon wenig bis gar nichts. Die Aufmerksamkeit hält sich in Grenzen. Public Viewings sind rar, doch immerhin kann man das Fussballturnier in verschiedenen Lokalen in der Region mitverfolgen – auch in St.Gallen.

16 Länder, die grössten Talente Europas, ein Monat lang internationaler Spitzenfussball – doch die Euphorie kurz vor der Frauen-EM in England hält sich in Grenzen. War vor dem Turnier der Männer letztes Jahr noch gefühlt ganz Europa in Aufruhr, ist vielen heuer nicht einmal bewusst, dass die Frauen-EM am 6. Juli beginnt.

Frauenfussball fristet in der Schweiz weiterhin ein Nischendasein, auch wenn der Sport soviel Aufmerksamkeit erhält wie nie zuvor. Im Schweizer Fernsehen wird jeden Tag ein Spiel übertragen, es wird vermehrt über den Frauenfussball und seine mangelhafte Förderung gesprochen. Über das, was den Sport ausmacht, warum diese EM besser ist als die Männer-WM im Winter.

Aber bei der breiten Masse kommt der Sport nicht an.

Kein einziges Gesuch für Public Viewing

Letzten Sommer geschah historisches: Die Schweizer Männer qualifizierten sich für das Viertelfinale der EM. Die Euphorie war grenzenlos. Kein Wunder waren die Strassen beim Spiel gegen Spanien gefüllt mit Tausenden von Menschen. Wer konnte, organisierte ein Public Viewing und liess die Kassen klingeln, mehr oder weniger ungeachtet der Corona-Ermahnungen der Polizei.

Für das Turnier der Frauen ist bei der Stadtpolizei St.Gallen kein einziges Gesuch für ein Public Viewing eingegangen. Allerdings sei auch nicht in jedem Fall eine Bewilligung nötig, sagt Mediensprecher Dionys Widmer: «Bewilligungen braucht es für Anlässe, die auch Public Viewing- Charakter aufweisen. Also beispielsweise ein Bildschirm mit Lautsprechern, bei dem es eine gewisse Lärmemission gibt.»

Steht das Fussballspiel nicht im Mittelpunkt und läuft es vielleicht nur auf einem Bildschirm nebenbei, so sei keine Bewilligung nötig. Und genau diesen Weg scheinen die meisten Gastronomen gehen zu wollen.

Übertragung ja, aber kein Zusatzaufwand

In St.Gallen wird man die Spiele der Frauen durchaus sehen können. Etwa die Affekt Bar überträgt die Matches, sofern das Lokal geöffnet ist. Auch im Gossauer BBC werden die Spiele gezeigt. Ein Riesenspektakel wird daraus aber nicht gemacht. Zum Vergleich: Für die EM der Männer erstellte das BBC eine zusätzliche Arena vor dem Lokal.

Auch die Südbar fährt mit dieser Taktik. «Wir haben das intern diskutiert und werden die Spiele zeigen – ein Public Viewing wie letzten Sommer wird es aber nicht geben», sagt Süd-Chef Ruedi Gamper. Das Interesse sei nicht vergleichbar, ein Public Viewing jedoch ein finanzielles Risiko.

Diese Haltung ist durchaus nachvollziehbar. Frauenfussball hat wohl (noch) nicht das Potenzial, eine ähnliche Euphorie auszulösen und allfällige Zusatzaufwände der Gastronomen zu entschädigen. Damit sich das ändern kann, bräuchte es aber genau solche Angebote. Mehr Plattformen – in Form von Medienaufmerksamkeit und Veranstaltungen.

Public Viewings in Zürich und Basel

Dennoch muss man sagen: Es gibt durchaus Fortschritte. Mittlerweile werden immerhin Spiele gezeigt, es wird über die Frauen-EM gesprochen, es fliesst mehr Geld in den Sport. Nur geht es anderswo schneller als bei uns.

Im Gastgeberland England können Spielerinnen als Profis leben, in Spanien schauten letztes Jahr über 90'000 Menschen das Champions League-Halbfinale zwischen den Barca- und Real-Frauen. Nochmal so viele zog es für das Finale gegen Wolfsburg ins Camp Nou.

In der Schweiz werden vorerst kleinere Brötchen gebacken. Zürich und Basel wollen Gastronomiebetrieben laut dem Tagesanzeiger Ausnahmebewilligungen für Public Viewings erteilen – beziehungsweise die Spiele der Frauen gleich behandeln wie die der Männer.

Ob das Angebot genutzt wird, ist hingegen unklar. Helfen könnte sicherlich ein sportlicher Exploit unserer Nati. Würden sie es unter die letzten verbleibenden Frauschaften schaffen, so wären die Gassen vielleicht doch auf einmal etwas belebter. Das bestätigt auch Ruedi Gamper von der Südbar: «Wir halten uns die Möglichkeit offen, eine grosse Leinwand aufzustellen, wenn die Schweizerinnen weit kommen – ab dem Halbfinale.»

In der Hammergruppe mit Schweden, Portugal und den Niederlanden wäre ein Weiterkommen allerdings bereits ein riesiger Erfolg.

veröffentlicht: 5. Juli 2022 06:06
aktualisiert: 5. Juli 2022 06:06
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