Eine Woche eingesperrt: Gabriel (32) fühlt Wiborada nach

In der St.Mangen Kirche in St.Gallen wird ab Ende April erneut das Wiborada-Projekt durchgeführt: Jeweils für eine Woche lassen sich Inklusinnen und Inklusen einschliessen und fühlen so der heiligen Wiborada nach.

Zwölf Quadratmeter gross und mit einfachster Einrichtung: Das ist die Zelle, in welche sich ab Ende April fünf Personen für jeweils eine Woche einschliessen lassen. Was für viele Personen wie ein Albtraum klingt, war für Wiborada, die erste heiliggesprochene Frau weltweit, Normalität.

Seit 2021 lassen sich jährlich verschiedenste Personen in die provisorische Wiborada-Zelle bei der St.Mangen Kirche einschliessen, um der Heiligen nachzufühlen.

Der Religionspädagogik-Student Gabriel Imhof ist in diesem Jahr – als jüngster Teilnehmer – auch dabei. Wie sich der 32-Jährige vorbereitet und was er wahrscheinlich vermissen wird, liest du hier.

Nicht die erste Erfahrung mit Stille

«Intuitiv habe ich mich dazu entschieden, mich zu bewerben – natürlich mit der Hoffnung, angenommen zu werden», sagt der 32-Jährige, der das Projekt bereits vorher kannte. Und das hat funktioniert: Vom 17. bis 24. Mai wird er in der Wiborada-Zelle eingeschlossen.

Da er derzeit in der Ausbildung zum Religionspädagogen ist, fand er den Zeitpunkt als passend. «Ich finde das Projekt wahnsinnig schön. Dass man versucht, Wiborada einen Namen zu geben und ihr nachzufühlen, fasziniert mich», so Imhof. Anfangs sei der Gedanke, sich eine Woche einschliessen zu lassen, doch etwas einschüchternd gewesen. Nach und nach habe sich ihm Wiborada entschlüsselt und er hat gemerkt: «Es ist auch sehr viel Gesundes dabei, eine Weile weg von der Aussenwelt zu sein und so eine gewisse Freiheit zu finden.»

Komplettes Neuland ist es für den angehenden Religionspädagogen aber nicht: «Ich habe einmal für 30 Tage lang Exerzitien gemacht und gleichzeitig geschwiegen – nur einmal am Tag gab es ein Gespräch mit einem Seelsorger. Man setzt sich dabei eng mit dem Glauben und sich selbst auseinander.» Aus diesem Grund traue er sich diese Woche in der Zelle zu – und die Vorfreude herrsche bereits jetzt.

Nicht so fromm, wie es scheint

Imhof erhofft sich durch das Projekt, mehr Verständnis für Wiborada zu entwickeln. «Ausserdem freue ich mich auf die Begegnungen am Fenster und darauf, mich selbst und Gott in der Stille stärker wahrzunehmen.»

Beschäftigen will er sich beispielsweise mit dem Abschreiben der 150 Psalmen, Malen oder dem Knüpfen von Gebetsbändern, die er den Besuchenden verschenken will. Doch so fromm das alles klingt, sei der St.Galler gar nicht.

«Das Knüpfen der Gebetsbändchen kann man mit Taylor-Swift-Fans vergleichen, die Armbänder basteln», sagt der 32-Jährige mit einem Schmunzeln und ergänzt: «Auch wenn ich in diesem Zusammenhang sehr fromm herüberkomme, empfinde ich mich selbst gar nicht so. Die Religion ist ein Teil von mir, doch ich habe auch viele andere Seiten.»

Erreichbarkeit abschalten

Im Voraus treffen sich alle Inklusinnen und Inklusen drei Mal zur Vorbereitung: «Hierbei setzen wir uns beispielsweise mit der Biografie von Wiborada auseinander. Alleine bereite ich mich darauf vor, in dem ich mir überlege, was ich in diesen sieben Tagen machen möchte.»

Ob er zu naiv an die Sache herangeht, weiss Imhof nicht. «Ich versuche, mich einfach darauf einzulassen und vertraue darauf, dass alles gut kommt.» Vermissen werde er in diesen sieben Tagen «auf jeden Fall die Natur und unter Menschen zu sein». Den öffentlichen Verkehr und sein Smartphone werde er überhaupt nicht vermissen: «Ich freue mich, mein Handy einfach zu Hause zu lassen und die permanente Erreichbarkeit abzulegen.»

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veröffentlicht: 11. März 2024 06:41
aktualisiert: 11. März 2024 06:41
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