Bauern bewerfen St.Galler Tierschützer bei Mahnwache mit Fleisch

Gisèle Ladner (im Bild) ist enttäuscht, dass die Mahnwache am Donnerstag eskaliert ist.
© zVg/Gaspare Orlando
Die Organisation «Animal Vigil St.Gallen» hielt am Donnerstag ihre regelmässige Mahnwache beim Marktplatz in St.Gallen ab. Doch diese blieb nicht lange ungestört: Die Aktivistinnen und Aktivisten wurden mit Fleisch beworfen und angeschrien. Die Stadtpolizei St.Gallen musste einschreiten.

Die Organisation «Animal Vigil St.Gallen» veranstaltet monatlich bewilligte, stille Mahnwachen vor dem Schlachthof in Gossau oder in der St.Galler Innenstadt. Die Tierschützer möchten sich so gegen die Ausnutzung und Tötung von Tieren und für ein friedliches Miteinander zwischen allen Lebewesen einsetzen. So auch am Donnerstagabend zwischen 18 und 20 Uhr beim St.Galler Marktplatz.

«Bei unseren stillen Mahnwachen sprechen wir normalerweise nicht mit den Passantinnen und Passanten, ausser sie stellen uns Fragen. Wir zeigen jeweils Videoaufnahmen von Schweizer Schlachthöfen und Plakate, wo kritische Fragen draufstehen», erklärt Gisèle Ladner, welche die Organisation «Animal Vigil St.Gallen» leitet.

«Geht Genuss über die Ethik?» oder «Brauchen wir wirklich die Milch von Kälbern?» stehe jeweils auf diesen Plakaten. «Das soll die Passantinnen und Passanten zum Nachdenken anregen», erklärt Ladner.

Mit Speck beworfen und davongerannt

Die Organisatorin vermutet, dass sich aufgrund der «Tier&Technik», die dieses Wochenende in den Olma-Hallen stattfindet, noch mehr Personen in der Stadt aufgehalten haben. «Wir wurden von sehr vielen alkoholisierten Leuten angepöbelt – auch wurde uns ins Gesicht geschrien», schildert Ladner die Situation. «Vielen der vor allem männlichen, oft alkoholisierten Passanten, die uns angeschrien oder beschimpft haben, haben sich als Landwirte bezeichnet.»

Als Spitze des Eisbergs wurden die Aktivistinnen und Aktivisten gar mit Fleisch beworfen. «Zwei jüngere, männliche Personen kamen angerannt, haben uns den Speck angeworfen und sind weitergerannt. Wir konnten sie leider nicht zur Rede stellen.»

Die Situation sei sehr «aufgeheizt» gewesen. Die Leiterin der Organisation erklärt, dass sie immer versuche, solche Situationen zu deeskalieren und mit Personen, die ihrer Organisation gegenüber kritisch eingestellt sind, ins Gespräch zu kommen.

«Zu einem gewissen Zeitpunkt war das am Donnerstag nicht mehr möglich, da der Alkoholpegel derart hoch war. Aus diesem Grund haben wir dann die Polizei gerufen.»

Bewilligte Mahnwache soll nicht gestört werden

Kurz nach 19.30 Uhr wurde die St.Galler Stadtpolizei wegen dieses Vorfalls gerufen, wie Roman Kohler, Leiter Fachstelle Kommunikation, auf Anfrage von FM1Today bestätigt.

«Wir wurden informiert, dass die bewilligte Mahnwache gestört wird. Als wir dann mit einer Patrouille vor Ort eintrafen, hat sich die Lage jedoch schnell beruhigt und die mutmasslichen Landwirte haben die Örtlichkeit verlassen», so Kohler.

Es geht laut Kohler aber nicht, dass eine bewilligte Mahnwache gestört wird.

Konsumenten aufklären

«Es war keine angenehme Situation gestern», erklärt Ladner und ergänzt: «Strassenaktivismus ist allgemein sehr anstrengend und intensiv.» Sowohl sie als auch die Aktivistinnen und Aktivisten haben laut Ladner das Gefühl, dass sie das machen müssen, um Konsumentinnen und Konsumenten aufzuklären und einen Wandel anzustossen.

«So können wir Präsenz zeigen und einmal im Monat daran erinnern, dass in der Schweiz über 83 Millionen Tiere pro Jahr geschlachtet werden.»

Wenn jedoch die Gewalt und der harsche Umgangston gegenüber den Aktivistinnen und Aktivisten zunehmen – gerade von betrunkenen Personen – müsse sich die Organisatorin überlegen, wie sie ihre Leute schützen kann.

«Wir machen das schon seit mehreren Jahren und werden auf jeden Fall weitermachen und unsere Präsenz wegen solcher Vorfälle nicht aufgeben», erklärt Ladner, die nach eigenen Angaben für alle Meinungen offen ist. Sie erklärt, dass sie sich gerne kritischen Fragen stellen lasse – «aber auf Augenhöhe».

Kleinster gemeinsamer Nenner

«Gestern haben sich viele Personen als Landwirtin oder Landwirt vorgestellt und erklärt, dass sie sich von unserer Mahnwache angegriffen fühlen. Wir greifen aber auf keinem von unseren Plakaten Landwirte an, sondern wir kritisieren die Industrie, die Masse und dass Tiere exzessiv ausgebeutet werden», so Ladner.

In den meisten Gesprächen vom Donnerstagabend, welche die Organisatorin führte, hätten auch viele Personen aus der Landwirtschaft das System kritisiert und erklärt, dass es für sie nicht einfach sei. «Auch die Landwirte haben viel Druck und sehen, dass es so nicht weitergehen kann. Das ist unser kleinster gemeinsamer Nenner.»

Was Ladner und die Aktivisten mit den Mahnwachen erreichen wollen, sei nicht persönlich gegen Landwirte gerichtet: «Es ist eine Kritik am System und daran, dass man Lebewesen ausbeutet und der Mensch sich herausnimmt, fühlende Wesen als Produkt zu degradieren.»

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

veröffentlicht: 24. Februar 2023 16:05
aktualisiert: 24. Februar 2023 16:05
studio@radiofm1.ch