Gimma kriegt einen Koffer voll Geld

Der «Superschwiizer» ist zurück! Mit zwei Alben auf einen «Chlapf» lässt der Bündner Tausendsassa Gian-Marco Schmid seine kultige Rap-Figur Gimma wieder auferstehen. Wer ihn dafür bezahlt und weshalb ihm eine Rap-Zeile über Ex-Miss Dominique Rinderknecht peinlich ist, verrät er im FM1Today-Interview.
Gian-Marco, wir sind etwas überrascht. Du hast doch die Rap-Karriere unter dem Namen «Gimma» eigentlich schon offiziell an den Nagel gehängt. Warum tust Du es jetzt trotzdem wieder?

Gute Frage (lacht). Es ist jemand auf mich zugekommen und hat einen Koffer voll mit Geld auf den Tisch gelegt, damit ich eine neue Platte mache. Es begann mich zu interessieren, weil es eine Person war, die einfach wollte, dass ich Musik mache. Das ist mir noch nie passiert. Ich konnte sorgenfrei arbeiten. Vorher stand ich sicher zehn Jahre lang bei Plattenfirmen unter Vertrag und musste um jeden Franken feilschen. Dort werden die Budgets immer kürzer, das Gejammere immer grösser und die immer jüngeren Mitarbeiter der Plattenfirmen haben immer weniger Ahnung von Musik. Das Umfeld schlägt dir irgendwann aufs Gemüt. Für meine Verhältnisse bin ich relativ lange bei meiner Meinung geblieben, dass ich es nicht mehr mache.

Wer ist dieser private Financier, der Dich unterstützt?Marc Berbet. Ich habe ihn in der Zeit kennengelernt, in der ich in der Erotikbranche gearbeitet habe. Und er ist ein Fan von früher, der sagte, ich müsse wirklich wieder einmal ein Projekt starten. Du bringst am 25. November zwei Alben und ein neues Buch raus - warum alles aufs Mal?

Die zwei Alben sind das Destillat aus den letzten vier Jahren. Ich habe immer wieder ein paar Songs aufgenommen, sie dann aber liegen gelassen und niemandem etwas davon erzählt. Es ist nicht so, als hätte ich das jetzt gerade «hingeschissen» in den letzten paar Wochen, sondern das ist über die Zeit entstanden. Beim Buch ist es etwas anders: Ich hatte einfach Schreibdrang und wollte schnell wieder ein neues Buch rausbringen, weil ich dort eher meine Zukunft sehe als in der Musik. Ich bin ja von Beruf Texter in einer Werbeagentur und das Textschreiben läuft bei mir mittlerweile ziemlich flüssig.

Du hast ein Bild von dir getwittert mit einer Hand in der Hose und der anderen am Bier - und dazu den Spruch «Rappt wider wia früener». Ist das so?(Lacht) Der Spruch ist ein Insider-Witz. «Du rappsch wider wia früener» war die Stichelei von Kollegen, die das Album bereits gehört haben. Sie meinten damit, dass ich wieder böses Zeugs rappe. Und ich fand irgendwann, das bringt es doch gut auf den Punkt. Es ist nicht pubertär, aber ich erlaube mir schon viel mehr, als ich mir eine Zeit lang erlaubt habe.
Was hat sich musikalisch verändert?

Ich bewege mich mit dem Projekt eigentlich immer noch auf dem gleichen Territorium wie früher mit «I gega d'Schwiiz» und «Panzer». Es gibt wieder Rapsongs, bei denen es «klöpft und tätscht», hat aber auch Balladen dabei. Inhaltlich knüpft es auch dort an. Es geht immer noch um die Wut, den Ärger über viele Schweizer und viele Dinge, die im Kleinen falsch ablaufen.

Was stört Dich momentan am meisten an der Schweiz?

Die Frisur von Andreas Glarner (lacht). Ich laufe nicht mit der Tabelle herum und notiere, was mich am meisten stört. Was mich ganz gewaltig stört, ist eine gewisse elitäre Haltung von Leuten, die sich als Eidgenossen oder Urschweizer bezeichnen. Das ist für mich der strunzblödste Begriff, den ich je gehört habe. Damit meine ich Leute, die betonen, dass sie anders sind als andere Schweizer.

Deine beiden neuen Alben heissen «Megaschwiizer» und «Ultraschwiizer». Ich muss gestehen, als Erstes musste ich dabei an «Volksrock'n'Roller» Andreas Gabalier denken... Was unterscheidet Dich von ihm?

Mein Chef ist grosser Fan von Andreas Gabalier. Der läuft jeweils bei uns, wir schauen uns die Videos an. Ich bin schon jemand, der sich auch sehr stark mit unserem Land identifiziert, halt einfach auf einer etwas ironischeren Ebene. Ich finde jetzt ehrlich gesagt den Gabalier nicht so unsympathisch und vor allem hat er auch ein paar riesige Songs. Aber Gabalier ist ein Schönling, sieht gut aus. Ich habe einen Ranzen, hänge rum und esse Burger. Ich will mich da nicht als Sexsymbol aufstilisieren und in den Lederhosen auftauchen. Das ist nicht meine Welt.

Reinhören in die neue Gimma-Single
16. Juli 2019 - 16:41

Reinhören in die neue Gimma-Single

«No sin miar nid ganga, Holz alanga», heisst es in Deinem Song mit Greis und Lou Zarra, der heute erscheint. Klingt melancholisch...

Alle, die zusammen an dem Werk gearbeitet haben, kennen sich jetzt schon seit mehr als 20 Jahren. Wir haben angefangen, zusammen Musik zu machen, als wir noch mit den ersten Macs im Keller auf dem Boden gesessen sind. Obwohl wir uns alle in verschiedene Richtungen entwickelt haben, sind wir alle an dem Punkt, wo wir sagen: «Scheisse, schono geil.» Wir alle machen noch Musik, sind gesund und uns geht's gut. «Holz alanga», dass das so bleibt. Wir sind nicht mehr die jungen Rapper, aber wir haben noch unser Publikum und Freude an unserer Musik.

Also geht's um die Lebensfreude beim Älterwerden?

Ja - und darum, dass man nicht alles im Leben immer so krass nach Plan machen muss. Ich hatte keine «Bucket-List», auf der ich mal aufgeschrieben habe, dass ich mal berühmt werden will. Ich wollte eine CD rausgeben und - huch - plötzlich spielst du im Hallenstadion.

Seit einem Gehörschaden durch ein Loch im Trommelfell ist es für Dich nicht mehr möglich, Konzerte zu spielen. Wie geht's dem Ohr jetzt?

Relativ konstant. Für die Aufnahmen im Studio habe ich nicht so lange gebraucht und deshalb hat es die Ohren auch nicht so belastet. Jetzt kommt aber der Winter, die Horrorzeit für meine Ohren, in der ich besonders aufpassen muss wegen Entzündungen. Ich kann momentan an maximal ein Konzert pro Woche, weil die Belastung sonst zu gross ist. Jetzt habe ich aber endlich wieder zuhause eine Stereoanlage, die ich mir neu gekauft habe.

Früher waren Sex und Drogen ein wichtiger Teil Deines Lebens. Bist du vernünftiger geworden mit dem Alter?

Ich bin nicht erwachsener, aber ich glaube schon vernünftiger geworden. Ich habe meinen Job jetzt schon seit ein paar Jahren und das ist schon ein grosser Schritt in die Richtung. Ich stürze nicht mehr so ab wie früher. Man überlegt, wie man seine Energie einsetzt. Jetzt beispielsweise mache ich gerade eine Pause, in der ich nichts trinke.

Deine Bündner Hip-Hop-Kollegen Breitbild singen auch übers Älterwerden in ihrer Single «30 isch ds neua 50». Habt Ihr Euch abgesprochen?

Du meinst, dass mein Buch jetzt «40» heisst, ist eine Schnittrechnung (lacht)? Natürlich sind wir jetzt alle da auf einem Haufen und ich habe ihnen über die Schultern geschaut, als sie ihr neues Album gemacht haben. Andri alias Phlegma von Breitbild ist auch auf meinem neuen Album. Wir inspirieren einander immer noch sehr eng.

Wie muss man sich das vorstellen? Seid Ihr früher zusammen durch die Gassen gezogen und jetzt trefft Ihr Euch auf dem Sofa?

Ja. Ihr Video zeigt eigentlich ziemlich gut, dass man sich auch mal Zeit nimmt, Dinge zu diskutieren und das nicht unbedingt gerade bei 1,5 Promille. Was aber nicht heisst, dass wir nicht zusammen feiern gehen. Ihre Plattentaufe war ein unfassbares Gelage und das macht dann auch wirklich Spass. Aber man kann sich auch mal auf Augenhöhe treffen zu einem Zmittag und völlig sachliche Diskussionen führen.

Ein zweiter Song von Dir ist schon mit Video draussen: «Sirena vum Scaläratobel». Was bedeutet das Tobel für dich?

Das Scaläratobel ist der Sage nach der Ort, wo die verlorenen Churer Seelen hingehen, um die Ewigkeit zu verbringen. Also zum einen die Seelen, die Scheisse gebaut haben in Chur, und zum anderen die, die unvollständig aus dem Leben gerissen worden sind. Für mich bedeutet dieser Ort die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und mit meiner Zukunft. Zum einen gehe ich davon aus, dass ich selbst einmal dort rumspuken werde und zum anderen habe ich auch einfach viele Leute verloren, von denen ich denke, dass sie dort sind. Für mich ist das ein meditativer Ort, aber nicht besonders schön mit seinem Herz aus Stein. Wenn ich dort hin gehe, verweile ich eine Minute oder zwei und dann gehe ich wieder.

In einem Interview zu Deinem ersten Buch hast Du Dir gewünscht, dass Du so viel Geld damit verdienst, damit Du für drei Monate nach Ibiza in die Ferien fliegen kannst. Für wie viele Partys hat das Geld gereicht?Ich kann es dir gerade so sagen: Ich war nicht einen Tag in Ibiza (lacht laut und lange). Also der Cash hat nicht weit gereicht - etwa bis nach Felsberg und das ist die Nachbargemeinde von Chur. Nein, Seich, ich habe eigentlich gut verdient, habe das Geld aber mehr gebraucht, um Schulden abzuzahlen und für anderes als Ferien. Meine Kollegin aus der Musikredaktion meinte vor dem Interview: «Der Gimma erzählt dir dann sicher wieder einen Skandal.» Der Skandal fehlt noch!
(Lange Denkpause) Ich kann dir etwas erzählen, was mir unangenehm ist im Moment. Auf der CD «Ultraschwiizer» gibt es einen Song, für den ich eine ziemlich sexistische Zeile über Ex-Miss-Schweiz Dominique Rinderknecht geschrieben habe, die jetzt eine Frau als Freundin hat. In der Zeile geht es darum, dass ich sie gerne mit Baschi teilen würde. Das ist mir heute etwas unangenehm, weil der Song schon einige Jahre vorher in einer Partylaune entstanden ist. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich im letzten halben Jahr herausgefunden habe, dass sie eine ganz coole Frau ist.

Einen richtigen Skandal habe ich aber nicht zu bieten. Es gibt natürlich ein paar Beleidigungen auf dem Album - von Andreas Glarner bis Irina Beller.

Worauf bist Du eigentlich besonders stolz in Deinem Leben?

Im Moment bin ich extrem stolz darauf, dass ich die Kurve noch einmal gekriegt habe vom ganzen Wahnsinn der Musikindustrie zurück zur Berufswelt. Und ich finde es auch schön, dass ich mich musikalisch wieder neu erfinden konnte. Dass ich jetzt wirklich an einem Ort bin, wo ich seit einigen Jahren schon sagen kann, ich habe gute Stimmung, es macht Spass und ich habe Energie für neue Sachen - darauf bin ich sehr stolz.

Gimma veröffentlicht am 25. November das Album «Megaschwiizer», das auch als einzelne CD im Laden steht. Gleichzeitig erscheint mit «Ultraschwiizer» eine limitierte CD, die etwas frecher ist als das Hauptalbum. Und als ob das für den umtriebigen Bündner nicht schon genug wäre, erscheint am gleichen Tag auch noch sein zweites Buch, der Roman mit dem Titel «40». Buchvernissage ist im Viva Club in Chur mit anschliessender Party. Seit heute Freitag ist die neue Single «Holz Alanga» bei iTunes verfügbar.
Felix Unholz
veröffentlicht: 4. November 2016 13:11
aktualisiert: 4. November 2016 13:11
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