Das haben Florian Ast und Prince gemeinsam

Das Christkind bringt sie zuverlässig. Jedes Jahr. Hit-Compilations von strahlenden, flackernden und erloschenen Stars. Zum Jahresende blicken wir leicht nostalgisch zurück, marschieren zu Ende und kraulen uns zufrieden den Bauch, als hätten wir die Weihnachtsgans gerade verputzt. Ein Bäuerchen auf die diesjährigen Best Of-Alben zur Weihnachtszeit. Denn: Es mundet bekanntlich auch aufgewärmt.

SUNRISE AVENUE – «Fairytales – Best Of 10 Years»

Ein Zucken durchfährt Nacken und Schultern. Man ahnt Schlimmes. Der neuste Track der Finnen-Band Sunrise Avenue hört auf den Namen «Prisoner In Paradise» (zu Deutsch: Gefangener im Paradies). Das ruft böse 80er-Jahre-Rockverbrechen ins Gedächtnis. Hiessen so nicht Songs von Bands wie Nazareth, Europe oder den Scorpions? Der Song ist dann zum Glück nur eine etwas dunkel geratene Pop-Bombast-Ballade. Und ein kleines Goodie für jene Leute, die vor zwei Jahren schon einmal eine Sunrise Avenue-Best-Of-Scheibe gekauft haben.

Genau! Das hier ist lediglich ein kleines Update. Ein bisschen dreist. Wieder alles dabei: «Fairytale Gone Bad», «Hollywood Hills», «Lifesaver» etc. Alles wunderbar einfache Pop- und Rock- Schunkler, die im Einzelnen durchaus in Ordnung gehen. Dazu kommt: Front-Blondine Samu Haber scheint ein richtig netter «Dude» zu sein, der von Männern gemocht und von Frauen geliebt wird. Die leicht verruchte Popstar-Version von Tranquillo Barnetta. Leider zielt diese leicht angepasste Zusammenstellung etwas zu sehr auf unser Portemonnaie ab, auch wenn sie keinen Etiketten-Schwindel betreibt. Wer Sunrise Avenue will, bekommt die volle Packung.

PRINCE – «4ever»

Das musste ja geschehen! Nein, nicht sein Tod war vorhersehbar, jedoch die Tatsache, dass sein Ableben zu einer Flut von Veröffentlichungen führen würde. Prince war zu Lebzeiten bekanntlich weniger daran interessiert seine Versatzstücke der letzten 35 Jahre öffentlich auszubreiten. In einem Tresor-Raum im Kellergeschoss seines Tonstudios sollen Unmengen an alten Aufnahmen gebunkert sein. Je nach Angaben schlummern dort über 1000 Aufnahmen von Liedern und Songskizzen. «Nichts überstürzen», scheinen sich die Verwalter seines musikalischen Nachlasses zu sagen. Zuerst gibt’s eine proppenvolle Hit-Sammlung, die aufzeigt, wie üppig und langanhaltend sein kreatives Schaffen gewesen ist.

Einen unveröffentlichten Song gibt’s als Supplement. «Moonbeam Levels» ist ein Überbleibsel aus den frühen 80ern. Damals offenbar als «zu wenig gut» taxiert, was dem Song die Lagerung im vielgescholtenen Giftschrank bescherte. Und ja, der Song ist kein Hit, aber schlecht ist er bei weitem nicht. Der Rest von «4ever» ist grossartig. Prince in seinen besten Momenten. Schlaue, jedoch nicht zu verkopfte Popmusik. Auch wenn mit «4ever» natürlich die feiste «Best Of-Sau» in den Schlachthof getrieben wird, viele Prince-Songs aus den 1980ern und frühen 1990ern sind schlicht und einfach Meisterwerke. Punkt.

PLACEBO – «A Place For Us To Dream – 20 Years Of Placebo»

Placebo ist die vielleicht grösste Band ohne diesen einen Song, ohne den grossen Hit. Ohne den Schlüssel in die oberste Liga. Vielleicht gerade deshalb geniessen die Herren rund um den wundersamen Frontmann Brian Molko ein solches Ansehen. Über 20 Jahre sind sie schon da, so richtig langweilig wurde es mit ihnen nie. Sie schrieben keine Welthits, haben es aber immer verstanden, sich ohne grosse Peinlichkeiten durchzuschlängeln. Die Fans dankten es und blieben. Und so skippt man sich gerne durch diese Best Of-Sammlung von Placebo. Es scheppert harsch, dunkle bittersüsse Rocksongs sind das, die immer mit dem Pop liebäugeln. «Pure Morning» - der Startschuss. «English Summer Rain» – ein Gedicht! «Meds» – eine Wucht! Die Mitbewerber, die sich vor 20 Jahren ebenfalls in den Vordergrund fuchtelten, sind alle schon Geschichte. Placebo sind immer noch da, immer noch kauzig, immer noch verhaltensauffällig, immer noch furchtbar überschminkt auf der Bühne. So soll es bleiben. Sie träumen seit 20 Jahren.

FLORIAN AST – «Wunschalbum – Best of 20 Jahre»

Heute geben andere den Ton an. Trotzdem: Er war der «Trauffer» seiner Generation. In den späten 1990ern erwischte Florian Ast die richtige, die grosse Welle. Gekonnt paarte er Traditionelles und Rockmusik, Schwyzerörgeli und Stromgitarre. Das klang frisch. Mehr Swissness ging nicht.

Mittlerweile ist Flöru 41 Jahre alt und er hält nun Rückschau. Dem Schwyzerörgeli hat er sich schon längst entledigt, sein vor Jahren auf dem Boulevard breitgetretenes Beziehungs-Wirrwarr haftet aber irgendwie immer noch an ihm. Flöru hat viel Lehrgeld bezahlt. Und die besten, wie auch erfolgreichsten Songs auf seinem Wunschalbum sind nun halt wirklich alle vor dem Jahre 2005 entstanden. Bevor er herzschmerzend und schmachtend zusammen mit Francine Jordi die «Träne i mine Ouge» besang. Danach wurde es dunkel. Asts Hit-Sammlung kommt gefühlte zehn Jahre zu spät. Aber Achtung! Abschreiben darf man ihn nicht! Gut möglich, dass es ihm nochmals gelingt. Vielleicht erwischt Flöru sie ja noch einmal: Die Swissness-Welle.

Andreas Forster
veröffentlicht: 8. Dezember 2016 17:00
aktualisiert: 8. Dezember 2016 17:00
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