Hohe Belastung, tiefer Lohn: Darum laufen der Kapo St.Gallen die Leute davon

Die Kantonspolizei St.Gallen hat mit einer Kündigungswelle zu kämpfen. Kommandant Bruno Zanga erklärt, warum so viele die Nase voll haben – anderen Korps in der Ostschweiz geht es ähnlich.

Die Polizeiposten in Goldach, Wittenbach, Oberriet und Walenstadt sind derzeit wegen Personalmangels geschlossen. 30 Austritte gab es dieses Jahr bis zum Stichtag am 10. August bei der Kantonspolizei St.Gallen – den grössten Teil machen Kündigungen aus. Das sind doppelt so viele Abgänge wie normalerweise während eines Jahres – FM1Today berichtete.

Viele hätten schlichtweg genug, sagt Kommandant Bruno Zanga im Interview mit TVO. «Meist ist nicht der Arbeitgeber das Problem, sondern der Wunsch, etwas im Leben zu verändern.» Auch sei die Belastung des Personals «einfach zu gross geworden».

Konkret: Die Bevölkerung verhält sich zunehmend aggressiv, die Polizistinnen und Polizisten müssen Nacht- und Wochenendeinsätze leisten. Hinzu kommen zahlreiche Überstunden, die St.Galler Kapo geht dieses Jahr davon aus, dass ihre Mitarbeitenden eine ganze Arbeitswoche zu viel arbeiten.

«Nicht im Sinn des Kantons»

«Es kann sein, dass wir gewisse Aufgaben nicht mehr erfüllen können», erklärt Zanga eine der Konsequenzen. «Beispielsweise können wir nicht zu jeder Lärmklage ausrücken. Die Leute müssen geduldiger sein.» SVP-Kantonsrat Sandro Wasserfallen befürchtet einen Sicherheitsabbau: «Das ist sicher nicht im Sinn eines sicheren Kantons St.Gallen.»

Zumindest mitverantwortlich für die Kündigungswelle ist laut Dominik Gemperli, Präsident des Verbandes der St.Galler Kantonspolizei, das neue Lohnwesen «NeLo». Dieses hat tiefere Löhne, insbesondere bei Einsteigerinnen und Einsteigern, zur Folge. Gemperli: «Man darf den Lohnbereich nicht unterschätzen. Die Unzufriedenheit bei jungen Polizistinnen und Polizisten ist sehr gross.» Das bestätigt Zanga, aber: «Es ist sicher nicht der Lohn allein entscheidend, sich wohl zu fühlen.»

Gleichgesinnte bei benachbarten Korps

Eine Umfrage zeigt: Personaltechnisch hapert's nicht nur bei der Kantonspolizei St.Gallen. «Im Moment haben wir zwar genügend Leute, es wird aber sicher nicht einfacher, geeignete Personen zu finden», sagt etwa Hanspeter Saxer, Mediensprecher der Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden.

Matthias Graf, Mediensprecher der Kantonspolizei Thurgau, ergänzt: «Die ohnehin schon hohe Belastung und die Unzufriedenheit nehmen zu. 2022 und 2021 gab es mehr Kündigungen als in den Vorjahren.» Bei der Stadtpolizei St.Gallen sieht es besser aus, wie Mediensprecher Roman Kohler sagt: «Wir hatten 2022 zwar mehr Kündigungen als letztes Jahr, dafür aber auch mehr Zugänge.» Es gelte, sich auch in Zukunft als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren.

(lag)

veröffentlicht: 6. Oktober 2022 19:46
aktualisiert: 6. Oktober 2022 19:46
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