Ein Experiment an deutschen Schulen, Alltag in St.Gallen

Den grossen Schritt in die Selbstständigkeit mit Hilfe von «Youtube»-Videos zu schaffen, kann für die St.Galler Volksschule nicht die einzige Vorbereitung der Jugendlichen sein.
© Keystone/Imago
Wäsche waschen, Bügeln oder die Steuererklärung ausfüllen: Was in erster Linie nach mühsamen Verpflichtungen im Erwachsenenleben klingen mag, wird neu in einem Schulfach im deutschen Hessen unterrichtet. Ein Schulfach, das in St.Gallen längst in den Lehrplan integriert ist.

So manch einer hat wohl nach Ende der obligatorischen Schulzeit festgestellt, dass draussen im «echten Leben» noch Dinge warten, auf die man so gar nicht vorbereitet ist.

Das neue Wahlpflichtfach «Fit for Life» an einer Schule im deutschen Hessen will das ändern und den Schülerinnen und Schülern Dinge für die alltägliche Lebensführung beibringen. Also etwa die Steuerklärung richtig ausfüllen, gängige Schönheitsideale hinterfragen oder Wäsche waschen.

«Das Fach bietet eine spannende Vorbereitung auf das Leben als Erwachsene», zitiert «RTL» den hessischen Kulturminister Alexander Lorz. Was in Deutschland noch als Pilotprojekt getestet wird, ist in ähnlicher Art und Weise längst im Lehrplan der Volksschulen im Kanton St.Gallen integriert.

St.Galler Schülerinnen und Schüler werden seit sechs Jahren auf Selbstständigkeit vorbereitet

Mit dem Lehrplan 21 in St.Gallen wurde das Fach Wirtschaft, Arbeit, Haushalt, kurz WAH, eingeführt. Was früher noch Hauswirtschaft hiess, wurde per Schuljahr 2017/2018 mit Aspekten wie Vorsorge, Konsum und Versicherung ausgebaut. «Grob gesagt, möchte man den Schülerinnen und Schülern mitgeben, woran sie alles denken müssen, wenn sie einen neuen Haushalt gründen», führt Regula Inauen, Abteilungsleiterin Schule und Unterricht beim Amt für Volksschule des Kantons St.Gallen, gegenüber FM1Today aus.

Ein Fach, das bei den Kindern im Kanton St.Gallen offenbar sehr beliebt ist. «Es wird sehr gerne besucht. Die Jugendlichen können selbst etwas ausprobieren und kreativ sein», so Inauen.

Von Geld über Nahrung bis zu Arbeit

Anhand von Alltagsbeispielen wird den Jugendlichen also beigebracht, worauf sie bei einer selbstständigen Lebensführung achten sollen. Um einige Beispiele aus dem St.Galler Lehrplan zu nennen:

  • Schülerinnen und Schüler sollen einen veranwortungsvollen Umgang mit Geld entwickeln.
  • Schülerinnen und Schüler können Nahrung kriterienorientiert auswählen.
  • Schülerinnen und Schüler können über die individuelle und gesellschaftliche Bedeutung von Arbeit nachdenken.

Die Lehrpersonen haben gemäss Inauen den Spielraum, innerhalb des Faches auf Veränderungen oder Aktualitäten, welche die Jugendlichen besonders interessieren, zu reagieren. Inauen nennt das Beispiel von Genderdebatten und betont, dass es der Lehrplan vorsieht, solche Punkte in den Unterricht miteinzubeziehen.

Braucht es dieses Fach?

Kritische Stimmen könnten behaupten, all diese genannten Punkte sind Aufgaben der Erziehungsberechtigten und sollten von zu Hause aus mitgegeben werden oder könnten gar eigenständig per «Youtube»-Videos beigebracht werden. Wozu also überhaupt der ganze Aufwand in den Schulen? Für Inauen steht die Chancengleichheit im Vordergrund. «Nicht alle Elternhäuser sind gleich aufgestellt. Der Lehrplan möchte, dass alle Kinder dasselbe mitnehmen und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten», sagt sie.

Man könne zwar googeln, wie ein Rotweinfleck am besten entfernt wird. Um Selbstwirksamkeit erleben und Selbstbewusstsein sammeln zu können, brauche es die Möglichkeit, eigene Erfahrungen sammeln zu können, ist Inauen überzeugt.

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veröffentlicht: 2. Februar 2024 05:43
aktualisiert: 2. Februar 2024 08:23
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