Ehepaar unterstützt HIV-infizierte Inderinnen mit Ziegen

Urs und Rita Locher reisten im August dieses Jahres nach Indien. Vor Ort kauften sie mehrere Ziegen – und verschenkten diese an Frauen, die am Rande der Gesellschaft leben. Die Idee dazu hatten sie beim Grillieren mit ihren Kindern.

«Ein indischer Markt ist völlig chaotisch und laut. Die Verkäufer wollen dich zu sich locken und ihre Waren präsentieren. Und wir haben ja keine Ahnung von Ziegen», sagt Urs Locher. Der 72-Jährige beschreibt seine Reise in den Indischen Bundesstaat Telangana, die er im August zusammen mit seiner Frau Rita unternahm.

Das Ziel: Vor Ort mehrere Ziegen kaufen und diese an Frauen am Rand der Gesellschaft verschenken. «Zum Glück hatten wir lokale Helfer», sagt Locher. So konnten sie die Ziegen zwar kaufen, «nur mitkommen wollten nicht alle», so der Goldacher.

Der Indische Viehmarkt sei eine Herausforderung gewesen. 

Etwas untypisch hob er eine bockende Ziege hoch und trug sie so zu den Fahrzeugen. Er habe Erbarmen mit dem Tier gehabt, die Inder seien im Umgang mit Ziegen nicht gerade zimperlich.

HIV-Infizierte am Rand der Gesellschaft

Das gilt nicht nur für den Umgang mit Tieren, sondern auch für Menschen. Urs und Rita Locher engagieren sich seit Jahren für den Ostschweizer Verein Solidarandhra, der im Bundesstaat Telangana drei Projekte unterhält.

Der Verein betreibt eine Schule für taubstumme Kinder, ermöglicht Schulbildung für Waisenkinder und betreut dutzende HIV-infizierte Frauen.

«Diese Frauen stehen am absoluten Rand der Gesellschaft, haben keinen Mann und werden aufgrund ihrer Ansteckung auch von der eigenen Familie ausgegrenzt. Sie sind vollkommen allein – abgesehen von ihren Kindern, die sie irgendwie versorgen müssen», sagt Locher.

Die Frauen hätten sich über die Ziegen gefreut, auch wenn Sie nach aussen nur wenige Emotionen zeigen. 

Für diese Frauen sind die Ziegen bestimmt. Es handelt sich dabei um ein privates Projekt von Lochers, sie haben dazu einfach die Infrastruktur und die Kontakte des Vereins genutzt.

Der Plan mit den Ziegen

Von den über 70 Frauen, die Solidarandhra betreut, kamen zwölf für die Ziegenhaltung in Frage. Daraufhin wurden die Frauen in drei Gruppen eingeteilt und dann wurde ausgelost, welche Frau in jeder Gruppe als erstes zwei Ziegen erhält. «Sobald es Nachwuchs gibt, erhält die nächste zwei weibliche Tiere und so weiter», berichtet Locher.

Die Übergabe sei für ihn ein sehr erfreuliches Ereignis gewesen. «Es ist schön, so direkt helfen zu können», sagt der 72-Jährige. Auch die Frauen hätten sich gefreut, auch wenn sie das nach aussen kulturell bedingt eher weniger zeigen würden. «Für die Frauen ist das aber sicher eine Unterstützung, sie können zum Beispiel die männlichen Jungtiere verkaufen».

Quelle: Urs Locher

Eine Grillidee

Den Frauen eine Möglichkeit zu bieten, um selbst Geld zu verdienen, sei der richtige Weg. «Es ist wichtig, dass man ihnen kein Geld gibt», sagt Locher, «Das kommt sonst nicht gut. Sie sind den Umgang damit nicht gewohnt.»

Das Geld für die Ziegen haben Lochers im direkten Umfeld gesammelt. «Unsere Kinder haben ihre Freunde gefragt und so kam schnell eine Summe zusammen. Auch die Idee an sich ist im Gespräch an einem Grillabend mit unseren Kindern entstanden», sagt der Goldacher.

«Wir können die Verhältnisse nicht ändern»

Urs Locher ist in der Welt bereits weit herumgekommen. Er ist etwa mit einem Camper bis in den Iran gefahren, oder via ÖV bis nach Benin – an die Westküste Afrikas. Dort unterstützte der gelernte Maschinenbauschlosser 6 Monate ein Hilfsprojekt und bildete Mechaniker aus.

Das Reisen, aber auch die freiwillige Arbeit zum Wohle der Ärmsten liegen ihm am Herzen. Dabei wird Urs Locher auch mit viel Leid konfrontiert. In Hyderabad etwa, wo der Verein Soldirandrha aktiv ist, nehmen sich jedes Jahr 2500 bis 3000 Bauern das Leben. Die Lebensqualität ist gering, die des Wassers auch, das Land ist karg.

Einige Kinder in der Schule von Solidarandhra. 

Die Bauern müssen sich oft verschulden, leben in Armut. HIV ist in der ländlichen Gegend verbreitet und ein grosses Problem. «Unter dem Strich können wir nur wenig tun, wir können die Verhältnisse nicht ändern», sagt Locher, «Aber immerhin können wir im Kleinen helfen und die Umstände für einige Menschen verbessern».

Für ein besseres Leben braucht es manchmal nur ein paar Ziegen. Bei einem Besuch in der Zukunft wollen Lochers sehen, wie das Projekt vorankommt – und es allenfalls ausbauen.

veröffentlicht: 2. Oktober 2022 16:27
aktualisiert: 3. Oktober 2022 12:14
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