«Rigoletto» besticht durch feine Klänge und gewaltige Bilder

Musikalische Höhepunkte der Oper «Rigoletto» an den Bregenzer Festspielen waren die Duette. Etwa zwischen der französischen Sopranistin Mélissa Petit, in der Rolle der Gilda, und dem bulgarischen Bariton Vladimir Stoyanov, als Titelheld Rigoletto.
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Ein Klassiker aus der Opernwelt gepaart mit einem grossen Spektakel: Verdis «Rigoletto» entfaltet auch auf der Bregenzer Seebühne seinen melodiösen Reichtum und seine verführerische Macht. Heimlicher Star der Premiere der Inszenierung ist ein gigantischer Clownkopf.

«Rigoletto» war schon bei der Uraufführung 1851 ein überwältigender Erfolg und auch fast 170 Jahre später führt das schaurig-schöne Meisterwerk von Giuseppe Verdi die Hitliste der meisten Opernfans an. «Rigoletto» ist zum ersten Mal auf der Bregenzer Seebühne zu erleben. Am Mittwoch feierte das Werk Premiere. Geboten wurde eine starkes Klangerlebnis mit einem nie nachlassenden Spannungsbogen.

Die Geschichte hat keinen Ausweg, das wird schnell klar. Hinter der leichten, eleganten Musik verbirgt sich ein schockierendes Drama. Nur Rigoletto will es nicht wahrhaben. Der Hofnarr amüsiert sich über das freizügige Leben seines Herzogs, den er tatkräftig bei dessen Eroberungen unterstützt.

Sein Lachen über den erzürnten Monterone, der seine Tochter durch den Herzog entehrt sieht, bleibt ihm jedoch im Hals stecken, als dieser ihn verflucht. Von dieser Spirale der Erniedrigungen wird der Spassdirigent Rigoletto in den Abgrund gerissen.

Ohne sein Wissen wird Rigoletto zum Mittäter bei der Entführung seiner eigenen Tochter Gilda, die er schützend zu Hause eingesperrt hält. In der Zuwendung des Herzogs sieht sie einen Ausweg aus der Obhut ihres Vaters. Dieser aber hat einen Mörder beauftragt, um den Liebschaften des Herzogs ein Ende zu bereiten. Doch als Rigoletto die verhüllte Leiche ins Wasser werfen möchte, hört er erneut dessen zynisches Credo «La donna è mobile» und fürchtet um das Leben seiner Tochter.

Rigoletto öffnet den Leichensack und hält seine sterbende Tochter im Arm. Sie bittet ihren Vater noch um Vergebung, dann stirbt sie. Rigoletto erkennt, dass sich der Fluch Monterones nicht am Herzog, sondern an ihm selbst erfüllt hat.

Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl betont in seiner Inszenierung den Kontrast zwischen Spektakel und intimem Kammerspiel. Dem zirkushaften Treiben auf dem Fest, der waghalsigen Entführung und dem gruseligen nächtlichen Sturm stehen innige Szenen zwischen Vater und Tochter sowie Gilda und dem Herzog gegenüber.

Sängerische Höhepunkte sind die Vater-Tochter Duette. Vladimir Stoyanov ist in der Titelrolle ein sicherer Wert. Mélissa Petit stiehlt ihm aber immer wieder die Show, nicht nur mit ihrem betörenden Engelsgesang, sondern auch wenn sie 15 Meter über dem See im Korb eines Fesselballons herumturnt, als ob sie nichts lieber täte. Stephen Costello als Herzog von Mantua kommt im Verlauf des Stücks immer besser in Fahrt.

Seit der Gründung des Festivals verbringen die Wiener Symphoniker jeden Sommer als «Orchestra in Residence» bei den Bregenzer Festspielen. Unter der musikalischen Leitung von Enrique Mazzola muss das Orchester trotz erneuerter Technik bei den leisen Passagen manches Mal gegen Störgeräusche der Bühnenhydraulik ankämpfen.

Optisch kommen die knapp 7000 Besucher voll auf ihre Kosten. Stölzl und sein Team haben eine Wundermaschine geschaffen, die neue Massstäbe in der Bühnentechnik setzt. Als Grundkonzept diene die Idee einer Zirkuswelt. Die Seebühne in der Bregenzer Bucht wird von dem knapp 14 Meter hohen und 175 Tonnen schweren Clownkopf, seinen beiden riesigen Händen und einem gelb-weissen Fesselballon dominiert.

Der gigantische Clownkopf wartet mit einigen Überraschungen auf. Er bewegt nicht nur seine Augen, seinen Mund und seinen Kopf, es scheint, als sei er eine monumentale Parabel auf das Libretto. Zum Auftakt schlüpft ein Gaukler aus der Schädeldecke des Clowns, am Kopf und an den Händen sind Seile angebracht, an denen die Mitwirkenden hoch und runter klettern.

Nach und nach verliert der Clown sein Gesicht und wird zur bösen Fratze: die Augen kullern wie Luftballone über die drehbare Bühnenplatte, die Nase und der Mund werden zu düsteren Höhlen. Die Hände halten die zitternde Gilda genauso gefangen wie sie ihr auch als Schaukel im ausgelassenen Liebestaumel dienen.

Auch beim Finale hat ein Bühnenelement seinen grossen Auftritt: Der mit Helium gefüllte Fesselballon schwebt mit der toten Gilda - beziehungsweise einer Stuntfrau - 45 Meter über dem Bodensee. Die Zuschauer blicken gebannt in den sternenklaren Abendhimmel und quittieren die Premiere mit viel Applaus.

veröffentlicht: 18. Juli 2019 13:29
aktualisiert: 18. Juli 2019 14:22
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