«Wildwuchs» bei Testcentern: Kanton St.Gallen greift durch

Die St.Galler Kantonsärztin kritisiert, dass oftmals «zwischen Stuhl und Bank» getestet werde. (Symbolbild)
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Im Kanton St.Gallen schossen in den letzten Wochen Corona-Testcenter wie Pilze aus dem Boden – ganz zum Unmut der St.Galler Kantonsärztin Danuta Zemp. Nun wird durchgegriffen: Ein Inspektor prüft die St.Galler Pop-up-Teststationen. Es kam bereits zu Mahnungen.

«Das ist ein Wildwuchs, der da entstanden ist», sagt die St.Galler Kantonsärztin Danuta Zemp gegenüber FM1Today. Seit der Erweiterung der Zertifikatspflicht eröffneten im Kanton St.Gallen diverse Corona-Testcenter, betrieben von Privatpersonen. «Wir hätten uns nicht träumen lassen, was da alles gebastelt wurde», so Zemp. Sie spricht die vielen Corona-Testcenter an, die vor Discos, Clubs, Bars und Cafés stehen und Zertifikate ausstellen. «Das geht gar nicht, dass zwischen Stühlen und Bänken Coronatests durchgeführt werden», sagt Zemp. Jetzt muss der Kanton eine Schraube anziehen: Seit dieser Woche gilt für Corona-Testcenter eine Meldepflicht und ein Inspektor kontrolliert die Angebote.

Kantonsärztin Danuta Zemp
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Bereits Mahnungen gesprochen

Jeder, der Coronatests anbietet, muss künftig beim Kanton St.Gallen gemeldet sein. «Bis Ende nächster Woche müssen sich alle Corona-Teststationen auf der Webseite des Kantons via Formular anmelden», sagt die Kantonsärztin. Zusätzlich finden Kontrollen statt. Da werde nicht die harte Schiene gefahren, sondern auf Konstruktivität gesetzt. «Wir führen zwei Runden durch. Wenn sich ein Testcenter nicht an die Vorgaben hält, nehmen wir mit den betroffenen Verantwortlichen Kontakt auf und schauen, was man verbessern kann.» Werden diese Qualitätsanforderungen bei einer zweiten Kontrollrunde rund zehn Tage später noch immer nicht erfüllt, drohen den Verantwortlichen Konsequenzen. «Das kann bis hin zum Entzug der Berufsausübungsbewilligung wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht gehen.»

Noch keine Woche ist der Inspektor für die Kontrolle der Testcenter unterwegs, schon wurden Beanstandungen gemacht, wo die Vorgaben nicht eingehalten wurden, wie Kantonsärztin Danuta Zemp bestätigt.

Gründe für Beanstandungen

Künftig soll also vom Kanton genauer kontrolliert werden, wie und wo Abstriche gemacht und Zertifikate ausgestellt werden. Vorerst konzentriere sich der Inspektor auf die Testcenter, die aus dem Nichts – Zitat der Kantonsärztin –, «auf der grünen Wiese» entstanden sind.

Wer ein Corona-Testcenter betreibt, muss folgende Richtlinien einhalten:

  1. Hinter einem Testcenter muss eine Ärztin, ein Apotheker oder ein Analyselabor stehen.
    Diese Person gilt als Verantwortliche für die Ausstellung der Zertifikate. Die Berechtigung dafür erhält er oder sie vom Bundesamt für Informatik. Diese darf an die Mitarbeitenden weitergeben werden, die Verantwortung bleibt aber bei der Fachperson. Das Bundesamt für Informatik hat so die Kontrolle über die Ausstellung der Zertifikate.
  2. Das Personal, das die Coronatests durchführt, braucht eine medizinische Ausbildung. Das können Pflegefachleute, MPAs oder Medizinstudentinnen im fortgeschrittenem Studium sein.
  3. Die Räumlichkeiten müssen für ein Testcenter geeignet sein. «Man kann nicht zwischen zwei Barhockern Zertifikate ausstellen», sagt Zemp. Das sei nicht zulässig. Wem ein solches Testangebot auffällt, dürfe dies dem Kanton melden.
  4. Die Testcenter müssen Protokoll führen. Anzahl gemachter Abstriche, Schutzkonzepte und Personenflüsse müssen in einem Gesamtkonzept notiert werden.

Sollten diese nicht eingehalten werden, meldet das der Inspektor der Kantonsärztin. «Ich nehme dann mit der verantwortlichen Person Kontakt auf.»

Noch keine Center geschlossen

Noch wurden im Kanton St.Gallen keine privaten Corona-Testcenter geschlossen, der Inspektor sei noch an der ersten Kontrollrunde. «Es ist noch zu früh, um einzuschätzen, wie viele Testcenter sich nicht an die Vorgaben halten», sagt Danuta Zemp.

Kostenpflichtige Tests lösen das Problem teilweise

Wie der Bundesrat am Freitag mitteilte, werden Tests für Ungeimpfte ab dem 10. Oktober kostenpflichtig, für einmal Geimpfte ab Dezember. Dies löse das Problem teilweise: «Sind die Tests nicht mehr gratis, lassen sich viel weniger Leute testen», sagt Zemp. Dann gehe auch das Testangebot zurück. Auch der finanzielle Anreiz, den Betreiber eines Testcenters zurzeit haben, fällt weg. Solange die Tests gratis zur Verfügung gestellt werden, kassieren Betreiber pro gemachten Coronatests eine Vergütung vom Bund. Doch auch bei einem Rückgang des Testangebots will der Kanton die Kontrollen fortsetzen.

Graubünden ist das Problem nicht bekannt

Dem Kanton Graubünden ist das Problem nicht bekannt, wie es auf Anfrage heisst. Voraussetzungen für das Betreiben eines Testcenters sei die Berufsausübungsbewilligung eines Arztes oder einer Apothekerin. Die Verantwortung für gesundheitspolizeiliche Kontrollen liege bei den Gemeinden.

veröffentlicht: 25. September 2021 06:13
aktualisiert: 25. September 2021 06:13
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