«Sehen ihr Lebenswerk dahinschwinden» – belasteter Boden bedroht St.Galler Bauernbetriebe
Quelle: TVO
«Es gibt so schon viele Herausforderungen für die Landwirte, das bräuchte es jetzt nicht auch noch», sagt Bruno Inauen, Leiter Landwirtschaftsamt St.Gallen. Der Kanton St.Gallen verkündete am Mittwochmorgen die Hiobsbotschaft: Auf St.Galler Boden wurden erhöhte Werte von PFAS-Chemikalien nachgewiesen, was sich auch bereits auf Lebensmittel wie Fleisch und Milch ausgewirkt habe.
Betroffen sind bisher fünf Bauernbetriebe im Gebiet Mörschwil, Eggersriet, Untereggen, Altenrhein und Goldach. Als Beispiel werden mindestens 20 Hektaren auf der Eggersrieter Höhe genannt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Schadstoffe noch in anderen Böden gefunden werden.
«Es kam völlig unvorbereitet»
«Vor vollendete Tatsachen gestellt» wurden die Landwirte offiziell am vergangenen Freitag mit einer persönlich überreichter Verfügung und am Dienstag per Post. Einzig bei den betroffenen Betrieben auf der Eggersrieter Höhe hätten die Bauern gewusst, dass Proben entnommen wurden. Obwohl das Problem beim Kanton schon länger bekannt war, hielt sich der Kanton bisher jedoch bedeckt. «Wir durften lange keinen Kontakt zu den Bauern aufnehmen, bis wir uns selbst etwas mehr Wissen über die Situation verschafft haben. Die Bauern fühlen sich entsprechend alleine gelassen», sagt Bruno Inauen, Leiter Landwirtschaftsamt Kanton St.Gallen, gegenüber TVO.
Diese Wahrnehmung teilt der Präsident vom St.Galler Bauernverband, Peter Nüesch. «Es kam völlig unvorbereitet. Die Betriebe wurden sehr kurzfristig informiert.» Es sei gravierend, wenn die Bauern vom einen auf den anderen Tag ihr Produkt, ihre Lebensmittel nicht mehr verkaufen können. Schliesslich könne die aktuelle Situation je nach Betriebsausrichtung einen enormen Ertragsausfall bedeuten.
«Ohnmachtsituation» für Bauern
Was für Konsumentinnen und Konsumenten Stand jetzt laut dem Kantonschemiker Pius Kölbener keine dramatischen Auswirkungen hat – im Trinkwasser wurde die Chemikalie nicht nachgewiesen – kann für die betroffene Bauern nämlich schwerwiegende Folgen haben. Beispielsweise dürfen Lebensmittel mit einer PFAS-Belastung über dem geltenden Höchstwert nicht mehr in den Verkauf gelangen. Entsprechend können einige Landwirte ihr Produkt langfristig nicht mehr verkaufen. Was je nach dem durchaus eine Bedrohung der Existenz darstellen kann.
«Für die Bauern ist es eine Ohnmachtsituation. Sie haben etwas in ihrem Boden, das sie wahrscheinlich nicht selbst hineingebracht haben und nun zu einem schlechten Produkt führt», sagt Inauen. «Sie sehen ihr Lebenswerk dahinschwinden.» Im Interview mit TVO erzählt er zudem von zwei Bauern, die zu ihm gesagt hätten: «Jetzt produziere ich nur noch Abfall.»
Bauernverband mit klaren Forderungen
Während sich die Bauern nun an die gesetzten Auflagen des Kantons zu halten haben, will der Kanton in einem nächsten Schritt herausfinden, wo das Problem grösser und wo kleiner ist. Und wo es entsprechend künftig noch eine Produktionsmöglichkeit gibt.
Gleichzeitig prüft der Kanton zur Zeit Unterstützungsmassnahmen für Betriebe mit möglichen wirtschaftlichen Einbussen. Sollte die Klärung der Produktionsmöglichkeit länger andauern, sei die Regierung bereit, zu ähnlichen Instrumenten wie während Corona zu greifen, sagt Regierungsrat Beat Tinner an der Medienkonferenz.
Der Bauernverband geht noch weiter und Nüesch sagt: «Wir fordern, dass dieser Schaden entschädigt werden muss.» Die Betriebe seien unverschuldet in diese Situation geraten und hätten absolut nichts falsch gemacht. Ein Überbrückungskredit sei nicht ausreichend. «Es ist keine Frage der Liquidität, sondern es ist ein Schaden entstanden. Da gilt es sofort zu handeln und zu entschädigen», so Nüesch, der den Kanton dabei klar im Lead sieht. Wie lange diese Situation nun wirklich andauert und wie genau es für die betroffenen Bauern weitergeht, kann der Kanton am Mittwoch noch nicht sagen.
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Auch in Altstätten wurden schon PFAS-Chemikalien gefunden. Vor etwa einem Jahr wurde deshalb der Boden ausgetauscht und die Altlasten entsorgt.