Stell dir vor, es ist «Wir machen auf», und keiner geht hin

Quelle: tvo

Einige Vertreter der Gastro-Szene haben für den Montag zum kollektiven Öffnen der Betriebe aufgerufen. Mit dem Slogan «Wir machen auf» sollten die gebeutelten Bars und Restaurants klare Kante gegen die Massnahmen des Bundes zeigen. Doch offen war im Kanton St.Gallen praktisch nichts.

Restaurant- und Barbesitzer sind verzweifelt. Seit Wochen generieren sie kaum mehr Einnahmen. Der Blick in die Zukunft ist zudem düster, weil der Bundesrat bereits eine Verlängerung der Schliessungen ins Auge fasst.

Branchenverband distanzierte sich von der Aktion

«Wir machen auf» war eine Aktion einiger Unternehmer, die den Status quo nicht weiter mittragen möchten und so ein Zeichen setzen wollten. Den ganzen Montag wollten sie verbotenerweise aufmachen und Gäste empfangen. Die Aktion ist umstritten, der Branchenverband Gastrosuisse distanzierte sich von dem Unterfangen. Trotzdem kam es schweizweit teils zu Öffnungen von Restaurants. Eine Restaurantbesitzerin im Kanton Bern konnte noch Hörnli und Gehacktes servieren, dann kam bereits die Polizei, berichtete beispielsweise der «Blick».

Kantonspolizei St.Gallen vermeldet keinen einzigen Fall

Eine Reise durch den Kanton St.Gallen zeigt: Die Gastro-Betriebe hielten sich trotz Aufruf zum Ungehorsam an die Massnahmen. Eine einzige Barbetreiberin konnte durch Recherchen von TVO gefunden werden. Simone Sartorius betreibt in Rheineck die «Mülisendli» Weinbar. Sie versteht nicht, dass Restaurants und Bars geschlossen sind, andere Branchen aber munter weitermachen können. Der Grund fürs Öffnen ihrer Bar: «Weil ich alle Gastronomen unterstützen möchte, die so richtig darunter leiden. Das kann nicht so weitergehen.» Viele Gewerbetreibende seien kurz vor der Pleite und wissen nicht mehr, wie sie ihre Familien ernähren oder ihre Mieten zahlen sollen.

Kein einziger Fall im Kanton

Von einer möglichen Anzeige lässt sich Weinbarbetreiberin Simone Sartorius nicht beeindrucken: «Die Polizei darf gerne kommen. Sie haben gar keine Berechtigung, Bussgelder zu sprechen.» Sartorius stützt sich dabei auf die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 der Bundesverfassung).

Falls die Polizei tatsächlich noch in der Weinbar auftaucht, wären die Beamten wohl auch die ersten Gäste. Bis in den Nachmittag kehrte nämlich niemand bei Sartorius ein.

Mit ihrer Aktion steht die Deutsche zudem ziemlich alleine da. Wie Hanspeter Krüsi am Montagabend auf Anfrage sagt, gab es im ganzen Kanton nicht einen einzigen Fall eines widerrechtlich geöffneten Lokals.

Wer offen hat, kriegt kein Geld vom Kanton

Viele Lokalbetreiberinnen und -betreiber fürchten sich nämlich vor Repressalien, wenn sie ihre Türen aufmachen. Mitunter ein Grund könnte auch die Härtefallregelung des Kantons gewesen sein. Der St.Galler Volkswirtschaftsdirektor Beat Tinner bestätigt, dass fehlbare Gewerbetreibende Konsequenzen erwarten dürfen: «Betriebe, die sich offensichtlich gegen Vorgaben der Behörden wehren, respektive diese nicht umsetzen, werden von der Härtefallentschädigung ausgenommen.»

veröffentlicht: 11. Januar 2021 20:53
aktualisiert: 11. Januar 2021 22:00
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