Seit Jahren kaum Fänge – doch der letzte Walensee-Fischer hört nicht auf

Quelle: FM1Today/Christoph Turnherr/Tim Allenspach

Verklebte Netze, mangelhafte Wasserqualität, kaum Ertrag – das Fischerleben von Hanspeter Gubser war während der letzten Jahre nicht einfach. Nun sind die Bedingungen perfekt, die Netze bleiben jedoch leer. Aufhören will er trotzdem nicht.

Im Schatten der Churfirsten fährt Hanspeter Gubser jeden Morgen hinaus auf den Walensee. Wobei der Schatten ja erst später kommt – denn der Arbeitstag des letzten Walensee-Berufsfischers beginnt früh. Vor Sonnenaufgang ist er mit seinem Stahlboot bereits unterwegs und gleitet den Punkten entgegen, wo er Tags zuvor die Netze angebracht hat.

Für Hanspeter Gubser – Frosch nennt man ihn seit Jahrzehnten – ist dieser Weg sehr von Gegensätzlichkeiten geprägt. Von Spannung: Wie viele Fische sind in den Netzen gelandet? Forellen? Felchen? Aber auch von Entspannung: Die Einsamkeit auf dem uralten Gewässer, die schroffe Anmut der Felswände entlang des Ufers.

Acht Felchen, kein einziger Grossfang

Die Entspannung dürfte mittlerweile jedoch überwiegen. Der Walensee ist seit Jahren geizig und gibt Gubser seine Schätze kaum mehr heraus. «Heute habe ich gerade mal acht Felchen aus den Netzen», sagt der Berufsfischer. «Und dieses Jahr gab es noch keinen einzigen Fang von mehr als 100 Kilo.»

Auch eine normale Fangmenge von 50 bis 60 Kilo bleibt die Ausnahme. Seit dem statistischen Ausreisser im April 2020, als Gubser eine Tonne Felchen fing, zeigen sich die Zahlen Rückläufig.

Warum das so ist, weiss der 56-Jährige nicht. Die Wasserqualität war in der Vergangenheit zwar nicht immer zweifelsfrei, die seltsame Substanz im Wasser ist jedoch verschwunden. Seine Netze verkleben nicht mehr, werden auch nicht mehr schwarz.

«Die Wasserqualität ist perfekt, dem See und dem Fischen geht es gut. Ich habe keine Erklärung für die mageren Fänge», sagt Frosch. Auch die Netze befestige er sicher in der richtigen Höhe, er habe darin jahrelange Erfahrung und stütze sich auf Statistiken.

Muskulöser Gourmet-Fisch

Abnehmer für die Walensee-Fische gäbe es eigentlich genug. Gubser ist bestens vernetzt und per Du mit den Gourmet-Köchen der Region. Starkoch Andreas Caminada zum Beispiel ist Fan seiner Fänge, genauso wie Silvio Germann vom Igniv in Bad Ragaz oder Roger Kalberer vom Melser Schlüssel.

Gubser verarbeitet sein Fänge selbst und verkauft sie. 

Denn das Fleisch der wenigen Fische ist ausgezeichnet. Der kalte Walensee lässt nur ein langsames Wachstum zu, dafür bilden die Fische mehr Muskelmasse. Das schmeckt dem erlesenen Gaumen, wobei Gubser auch private Kunden hat.

Angebot und Nachfrage treiben zwar den Preis – ein Kilo Felchen von Gubser kosten schon mal 40 Franken – doch die Menge ist einfach zu klein. Die acht Felchen von Donnerstag sind vielleicht fünf Kilo schwer, abzüglich der Kosten für Benzin etc. bleibt da nicht mehr viel.

Der Frosch lebt nicht vom Fisch

Davon leben kann Berufsfischer Gubser nicht. «Wenn man die Fangmenge herunterbricht, habe ich einen Stundenlohn von sieben oder acht Franken», sagt Frosch. Der sechsfache Vater hat deshalb viele Nebenprojekte, hilft zum Beispiel bei seinem Bruder auf dem Bau.

Und wenn der Walensee schon keine Fische hergeben will, so hilft er ihm wenigstens auf andere Weise. Das von ihm angebotene «Abenteuerfischen» sei sehr beliebt und bringt mittlerweile mehr als die Fischerei selbst. Dazu kommen in jüngster Zeit auch bezahlte Fernsehproduktionen, wo «sein» Walensee natürlich punkten kann.

Der Walensee ist für Kamerateams unwiderstehlich. 

Aber: Jeden morgen früh aufstehen müsste er dafür eigentlich nicht. Vor allem nicht für einen Stundenlohn von fast gar nichts, für leere Netze und kalte Hände. Denkt der Frosch nie an den Absprung, ans Aufhören?

«Nein», er zieht das Wort in die Länge, «Das Fischen auf dem Walensee ist meine Leidenschaft.» Wer jemals im Morgengrauen mit ihm draussen war, kann das irgendwie nachvollziehen.

veröffentlicht: 6. Juni 2022 07:46
aktualisiert: 6. Juni 2022 21:47
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