Rheintaler schmuggeln sich ohne Test über Grenze – Kritik an Warngruppe

Quelle: tvo

Ohne Coronatest über die Vorarlberger Grenze: Das ist das grosse Ziel einer Telegram-Gruppe, die mittlerweile über 2000 Mitglieder zählt. Darunter finden sich auch viele Rheintaler und Liechtensteiner. Gegenseitig warnen sie sich vor Grenzkontrollen.

Ohne negativen Coronatest kommt man derzeit nicht über die österreichische Grenze. Das gilt auch für den Pendlerverkehr. Einkaufstourismus ist verboten, beziehungsweise mit einer zehntägigen Quarantäne verbunden. Eine Gruppe von Menschen widersetzt sich dieser Vorschrift und hilft sich gegenseitig dabei, die Kontrollen zu umgehen.

«Grenzübergang in beide Richtungen frei!»

Die Gruppe hat sich seit Februar auf dem während der Pandemie in Zwielicht geratenen Messenger Telegram formiert. Mittlerweile zählt sie über 2000 Mitglieder, darunter viele Vorarlberger, Rheintaler und Liechtensteiner. Ziel der Gruppe ist es, sich gegenseitig über den Zustand an den Grenzen zu informieren und so einen Coronatest zu umgehen. «Guten Morgen! Der Grenzübergang Tisis-Schanwald ist in beide Richtung frei», heisst es zum Beispiel in einer Sprachnachricht des Vorarlberger Chat-Gründers. «Achtung, an der Grenze in Hohenems wird kontrolliert», schreibt ein anderer.

Updates von früh bis spät

Rund 50 solcher Nachrichten werden täglich in den Chat gestellt, von früh morgens bis spät abends. Dabei entflammt immer mal wieder die Diskussion, ob man die Infos nun als Text oder (weil viele mit dem Auto unterwegs sind) als Sprachnachricht verschicken soll. Wichtig ist dem Chat-Gründer, dass sich alle in ihren Nachrichten auf die Tatsache konzentrieren, ob ein Zoll gerade besetzt ist oder nicht. Wer allgemein über die Grenzkontrollen und Corona-Massnahmen diskutieren will, soll sich einer anderen Austausch-Gruppe anschliessen, die ebenfalls verlinkt ist.

In einem Telegram-Chat warnen sich die Mitglieder gegenseitig vor Grenzkontrollen.

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«Verlässlich sind die Infos nicht»

Dass man sich gegenseitig konkret vor Grenzkontrollen warnt, sei kein neues Phänomen, sagt Martin Tschiren, Einsatzleiter des Grenzwachkorps Rheintal-Süd. «Es war schon immer ein Versteckspiel. Vor 100 Jahren war es vielleicht der Bauer, der das Dorf vor der Grenzkontrolle warnte, heute läuft der Austausch über Social Media.» Das tangiere die Arbeit der Grenzwächter aber nicht gross. «Manchmal wechseln wir unseren Standort schon nach fünf Minuten wieder. Wirklich verlässlich sind die Meldungen über unseren Aufenthalt also nicht.»

Auch wenn die Grenzwächter physisch nicht anwesend sind, heisst das laut Tschiren nicht, dass ein Grenzübergang nicht kontrolliert wird. «Wir überwachen die Grenzen manchmal verdeckt. Ausserdem verfügen wir über technische Hilfsmittel, die eine Kontrolle erlauben, auch wenn wir nicht vor Ort sind.»

Österreichische Gesetze nicht relevant

Dass es in der neuen Telegram-Gruppe vor allem darum geht, einen Coronatest für die Einreise nach Österreich zu umgehen, ist für das Grenzwachtkorps auf Schweizer Seite nicht von Bedeutung. «Salopp gesagt: Die österreichische Gesetzgebung interessiert uns nicht», erklärt Martin Tschiren. «Wir wissen, dass es auf der anderen Seite hohe Bussen gibt, wenn man sich nicht an die Gesetze hält. Für uns ist das aber nicht relevant. Es ist auch nicht unser Auftrag, die Grenzgänger bei den Österreichern zu melden.» In die Schweiz darf man ohne Coronatest ein- und ausreisen, sofern man nicht aus einem Risikogebiet kommt. Und das Land Vorarlberg befindet sich nicht auf der Schweizer Risikoliste.

Warnungen sind nicht strafbar

Die Vorarlbeger Polizei hört zum ersten Mal von der Telegram-Gruppe, zeigt sich aber nicht überrascht. «Auf Social Media wird andauernd vor irgendwelchen Kontrollen gewarnt», sagt Horst Spitzhofer, Mediensprecher der Vorarlberger Landespolizeidirektion. «Wir können nichts dagegen unternehmen. Die Polizei ist aber sehr aktiv auf den sozialen Medien und versucht in erster Linie zu verhindern, dass Falschmeldungen verbreitet werden.»

Auch bei der Staatsanwaltschaft St.Gallen sind bisher keine Strafanzeigen bezüglich solcher Warnungen vor Grenzkontrollen eingegangen. «Das Verhalten wäre mangels gesetzlicher Grundlage auch nicht strafbar», sagt Stefan Hess, Stellvertretender Medienbeauftragter der Staatsanwaltschaft St.Gallen. «Selbstverständlich wäre aber im Falle einer Anzeige jeder Einzelfall genau zu prüfen.»

«Kein Verständnis»

Auch wenn eine solche Warn-Gruppe nicht verboten ist, hat Grenzwächter Martin Tschiren keinerlei Verständnis für diesen Austausch. «Ich kann nicht nachvollziehen, warum sich Leute in einer solchen Pandemie nicht solidarisch zeigen und sich den Regeln widersetzen müssen.» «Am schlimmsten finde ich es, wenn sich ein Schweizer oder eine Schweizerin trotz der Situation nach Vorarlberg schmuggelt, um dort einzukaufen. Es gibt hier in der Schweiz immerhin genügend Möglichkeiten dazu.»

veröffentlicht: 27. März 2021 06:52
aktualisiert: 27. März 2021 06:52
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