Polizei kontrolliert Servette-Fans – diese boykottieren das Match

Die Polizei informiert die Fussball-Clubs nicht über ihre Einsätze. (Archivbild)
© Tagblatt/Michel Canonica
Eine Grosskontrolle der Polizei hat am Samstagabend vor dem Match FCSG gegen Servette für dicke Luft gesorgt. Die Genfer reagierten mit Spiel-Boykott, der Fussballclub fordert eine Aufklärung. Für die Stadtpolizei St.Gallen hingegen war die Kontrolle unumgänglich.

So haben sich die Servette-Anhänger ihren Fussballabend in der Gallusstadt nicht vorgestellt. Als sie am Samstagabend beim Kybunpark anreisen, wartet nicht etwa ein kühles Bier auf sie, sondern die Polizei – und zwar mit einem Grossaufgebot. Hinter dem Einsatz steckte jedoch keine Schikane, sondern Ermittlungen.

Im Oktober 2022 kam es nach dem Match FC St.Gallen gegen den Servette FC durch Gästefans zu Ausschreitungen: Einige Servette-Anhänger griffen friedliche FCSG-Fans an. Zudem warfen sie Steine, Flaschen und weitere Gegenstände gegen die Polizei. Ein Polizist wurde dabei verletzt. Nach dem Vorfall konnte die Stadtpolizei St.Gallen mithilfe von Bildmaterial 20 mutmassliche Straftäter feststellen, die Identitäten der Personen konnte sie jedoch nicht herausfinden – zumindest bis am Samstagabend.

22 mögliche Straftäter ermittelt

Bei der Grosskontrolle der Servette-Fans konnte die Stadtpolizei St.Gallen 22 Personen anhalten, die als mögliche Straftäter in Frage kamen. Wie die Polizei mitteilt, wurden die Personen auf verbotene Gegenstände durchsucht, ihre Personalien wurden erfasst sowie ein Foto von jedem gemacht, um es mit den Dossiers abzugleichen. Nach der Kontrolle vor Ort wurden alle Personen entlassen. Tatsächlich konnte die Polizei neun mutmassliche Straftäter identifizieren, die bei den Ausschreitungen im Oktober beteiligt waren. Sie werden jetzt zur Anzeige gebracht.

Unverständnis auf beiden Seiten

Die Grosskontrolle verlief laut Polizei zwar «ohne Probleme», jedoch stiess sie den Genfern wohl sauer auf. «Der grösste Anteil der Fans verbrachte die Spielzeit auf eigenen Entscheid ausserhalb des Gästesektors», schreibt die Stadtpolizei St.Gallen. Der fast leere Gästesektor überschattete auch das Match. Anwesende Leserreporter berichten, dass der Speaker zu einer Schweigeminute aufrief. Aus Solidarität und um ein Zeichen zu setzen, sollen die FCSG-Fans rund zehn Minuten lang geschwiegen haben.

Dieser User ist genervt: «Ich hasse es, das zu sagen, aber ich interessiere mich nicht für das Spiel. Mich interessiert nur, dass die Polizei den Ultras, die dafür bezahlt und das Land umsonst durchquert haben, die Nacht ruiniert hat. Servette FC, tut etwas»

Der Servette FC meldet sich mit einem Statement auf seiner Webseite zu Wort: «Der Verein wundert sich über den Grund für das Fehlen eines grossen Teils seiner Anhänger heute Abend im Kybunpark. Die Vorbereitung des Empfangs der Genfer Fans wurde in Absprache mit dem FC St.Gallen sorgfältig vorbereitet.» Ihrer Meinung nach, habe die Polizei «ohne Rücksicht und Rücksprache mit den Vereinen» gehandelt. Das sei inakzeptabel und müsse aufgeklärt werden.

Clubs werden nie informiert

«Dass Fussballfans keine Freude an Kontrollen haben, nehmen wir zur Kenntnis. Da Abklärungen bei der Genfer Polizei keine Ergebnisse lieferten, war die Kontrolle vor Ort nötig, um die Straftäter zu identifizieren», sagt Klaus-Dieter Mennel, Mediensprecher der Stadtpolizei St.Gallen auf Anfrage. Solche Kontrollen würden vorab nicht kommuniziert, dementsprechend sei auch Servette nicht vorinformiert worden.

Hätte man die Kontrolle nicht nach dem Match machen können? Das sei laut Mennel nicht möglich gewesen. «Hätte man das nach dem Spiel gemacht, wären die Genfer Fans mit dem Zug nicht mehr nach Hause gekommen. Das wäre weder in unserem noch in ihrem Sinne gewesen.» Mennel betont, dass die Polizei nur 22 verdächtige Personen polizeilich kontrolliert habe. Alle Fans hätten im Anschluss problemlos ins Stadion gehen können.

veröffentlicht: 5. Februar 2023 10:34
aktualisiert: 5. Februar 2023 10:53
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