Ostschweizer eröffnen Hostel in Pablo Escobars Heimatstadt: «Es ist wie im Dschungel»

Stefan Bossart und Patrick Ammann aus Rorschacherberg wagten den Sprung ins Ungewisse – und eröffneten ein Hostel in Medellín. Die Stadt ist zwar nicht mehr die gleiche wie zu Pablo Escobars Zeiten, die Herausforderungen sind trotzdem gross.

«Wenn dir in Medellín einer sagt, dass etwas am Mittwoch erledigt wird – dann kannst du eigentlich nur sicher sein, dass es am Mittwoch ganz sicher nicht gemacht wird», sagt Stefan Bossart. In «Medeschin», er spricht den Ortsnamen aus wie ein Einheimischer, laufe das halt ein bisschen anders.

Trotzdem hat sich der 30-Jährige aus Rorschacherberg wohl etwas in die Stadt verliebt, in welcher er vor einem guten halben Jahr sein Hostel eröffnet hat. Wer dabei an die Zustände in der Netflix-Serie Narcos denkt, an Pablo Escobar und Drogenkrieg, der liegt heutzutage daneben.

«Die Leute sind extrem nett und die Stadt ist wunderschön. Medellín ist wie ein Dschungel, eingebettet in die Anden», sagt Bossart.

Wirklich ein Stadtdschungel.

© getty

«Wie eine Familie»

Medellín ist vor allem eine Stadt, die sich im Wandel befindet. Immer noch ein heisses Pflaster – aber auf gute Weise. 2012 erklärte das Wall Street Journal Medellín zur innovativsten Stadt der Welt. Ein guter Ort, um es mal zu versuchen, fanden auch Bossart und sein Partner Patrick Ammann, ebenfalls aus Rorschacherberg. Und das hat sich gelohnt.

«Es läuft super», sagt Hostel-Boss Bossart. Das auf drei Stockwerken gelegene Hostel richtet sich vor allem an Backpack-Touristen und Digital Nomads, also Personen, die ortsungebunden arbeiten.

Stefan Bossart mit Gästen auf der Terasse. 

© zvG

«Der Name ‹La Familia› ist bei uns auch nicht nur Fassade, wir sind wirklich eine kleine Familie und machen viel mit unseren Gästen. Die Angestellten gehen zum Beispiel oft auch mit in den Ausgang», so Bossart. Das scheint gut anzukommen, wenn man sich die Bewertungen so anschaut.

Das Konzept scheint gut anzukommen. 

© lafamilia-hostel.com

Das Leben in Medellín, der Stadt des ewigen Frühlings, ist natürlich ein anderes als im beschaulichen Rorschacherberg, dem Dorf der ewigen Hauptstrasse. Dass es ihm in Südamerika gut gefällt, fand der studierte Finanzspezialist schon früh heraus.

Er sei nach der Kanti das erste mal nach Kolumbien gereist – und danach immer wieder: «Ich dachte mir, eigentlich würde ich gerne bleiben, aber von irgendwas musst du ja leben.»

Alles ziemlich spontan

Da habe er vor Ort auf gut Glück damit angefangen, nach geeigneten Gebäuden für ein Hostel zu suchen. Erstmal ohne Erfolg. Auch die Zusammenarbeit mit Patrick Ammann enstand in dieser Zeit: «Wir kannten uns eigentlich kaum. Patrick ist der Bruder von einem Kollegen und hatte gehört, dass ich gerade in Medellín bin und hat sich gemeldet. Erst wollte er einfach reisen – aber die Idee mit dem Hostel fand er auch gut.»

Zu zweit fanden sie dann ein geeignetes Objekt. Einfach war es aber nicht: «Die Leute vertrauen einander nicht und natürlich muss man aufpassen, gerade als Ausländer», sagt der junge Unternehmer. Trotz vieler Komplikationen sei es ihnen dann gelungen, das Haus zu mieten.

Bis zur Eröffnung dauerte es aber noch etwas. Die Umbauarbeiten brauchten gut zwei Monate. Und auch der Alltag im Hostel biete weiterhin Herausforderungen.

Die Umbauarbeiten dauerten etwa zwei Monate. 

© zvG

«Es kommen zu wenige»

Irgendwas sei immer los, sagt Bossart. Gerade während der ersten Monate sei es oftmals chaotisch gewesen. «Natürlich müssen wir manchmal auch Probleme für unsere Gäste lösen oder ihnen helfen – zum Beispiel, wenn ein Portemonnaie abhanden kommt. Das gehört halt dazu.»

Und auch wenn das Hostel an sich gut besucht ist, sieht er noch Verbesserungspotenzial. «Wir wollen zum Beispiel Partys auf unserer riesigen Terrasse veranstalten. Aber es kommen zu wenige von ausserhalb des Hostels», sagt Bossart.

Alles in allem sei er aber höchst zufrieden mit seiner Entscheidung. «Ich würde es sofort wieder machen. Und der Plan ist auch, noch mehr Hostels hier zu eröffnen, vielleicht auch eine Bar», sagt Bossart.

Auch wenn die Arbeiter erst am Freitag kommen, anstatt am Mittwoch. Oder am Montag. Aber am Ende scheint es auch in Medellín zu klappen.

veröffentlicht: 6. Februar 2023 05:50
aktualisiert: 6. Februar 2023 09:30
studio@radiofm1.ch