Montlinger Ehepaar verteilt Essen an Lastwagenfahrer auf Raststätten

Bereits zum dritten Mal verteilen Silvano Vescio und Brigitte Moser Essen an 60 bis 80 Lastwagenfahrer, die über Weihnachten auf Raststätten im Rheintal stranden. Und das, obwohl beide selber aufs Geld schauen müssen.

Weihnachten kennen wir ungefähr so: Viel zu viel Fondue Chinoise, das Feuer knackt im Kamin, der Wein fliesst so lange, bis alle vom Geist der heiligen Nacht ergriffen sind und irgendwann werden Geschenke ausgepackt. Vielleicht wird den Gästen noch ein gesummtes «Stille Nacht» abverlangt und falls Streit vermieden werden kann, gilt der Abend als Erfolg.

Weihnachten findet aber auch anders statt. Alleine auf einer Autobahn-Raststätte in einem fremden Land zum Beispiel. Statt nervigen Weihnachtsliedern gibt es nerviges Motorendröhnen von der Autobahn, statt Fondue Chinoise gibt es höchstens aus China importiere Süssigkeiten.

Für die Lastwagenfahrer auf den Raststätten ist die Weihnachtszeit nicht einfach: Wegen des Fahrverbots an den Festtagen stecken sie mitunter tagelang fest.

Und genau hier kommen die zwei Weihnachtsengel aus dem Rheintal ins Spiel. Eigentlich sogar drei.

Ein Montlinger Ehepaar kocht für die Fernfahrer

Bereits seit drei Jahren macht es sich ein Ehepaar aus Montlingen zur Aufgabe, den Lastwagenfahrern auf den sechs Raststätten zwischen Rheineck und Sevelen an Weihnachten etwas zu Essen zu bringen.

«Auf den Spaziergängen mit unserem Hund sind uns die vielen Lastwagenfahrer aufgefallen, die an Weihnachten alleine an den Raststätten sind», sagt Silvano Vescio,« sie können da nicht weg, es ist wie in einem offenen Gefängnis.»

Auch hätten viele der Fahrer nicht das Geld, sich im Geschäft auf der Raststätte etwas zu essen zu kaufen. Aus diesem Grund begannen sie damit, Fresspäckli zu verteilen.

Wertschätzung und frohe Weihnacht

Silvano Vescio und seine Frau Brigitte Moser verteilen über die Festtage Päckli mit selbstgemachten Sandwiches, Desserts, Früchten oder Schokolade. Die Abnehmer sind oftmals Personen aus Osteuropa, Fahrer aus Polen, Rumänien, Russland, Bulgarien.

Die Verständigung war anfangs etwas schwierig. «Mit Hand und Fuss geht es aber immer», sagt Vescio. Mittlerweile drücken sie den Fahrern eine Karte in die Hand. Darauf steht in zwölf verschiedenen Sprachen sinngemäss: «Danke für eure Arbeit und frohe Weihnachten.»

Oftmals glaubten die Fahrer zuerst, man wolle ihnen etwas verkaufen. Auch danach ist die Reaktion immer dieselbe. Erst sind sie verwirrt, danach sehr dankbar. «Es ist mega herzig», sagt Vescio, «sie bedanken sich und haben Freude an unserem Hund.»

Sie sparen das ganze Jahr

Ursprünglich ging es nur darum, den Lastwagenfahrern etwas zu Essen zu geben. Mittlerweile ist es aber mehr: «Es ist die Freude auf beiden Seiten. Ein wärmendes Gefühl in der Brust. Es ist schwierig zu beschreiben», sagt Vescio.

Dieses unbeschreibliche Gefühl lassen sich Brigitte Moser und Silvano Vescio etwas kosten. 60 bis 80 Lastwagenfahrer zu verpflegen geht ins Geld. Und auf Rosen gebettet ist das Paar nicht: Vescio ist IV-Rentner, Moser arbeitet als Raumpflegerin.

Um die Weihnachtsüberraschung zu ermöglichen, sparen sie das ganze Jahr über. «Wir gehen nie auswärts essen, nie in den Ausgang. Die Weihnacht auf der Raststätte gibt uns viel mehr. Das ist besser als 100 Bankkonten», sagt Vescio.

Der Wert des Lebens

Die selbstlose Einstellung des Montlinger Ehepaars verwundert. Auch wenn Silvano Vescio dies als «selbstverständlich» abtut, fragt man sich, woher die starke Nächstenliebe kommt. «Wir kommen beide aus dem sozialen Bereich», sagt der 54-jährige IV-Rentner.

In den 1980er-Jahren sei er ein politischer Punk gewesen und habe in Zürich ein halbes Jahr auf der Strasse gelebt. «Ich weiss, was es bedeutet», sagt Vescio. Heute hat er ein Dach über dem Kopf, es geht ihm gut zusammen mit seiner Frau Brigitte, die das Kochen liebt und sich auch dieses Jahr auf die Weihnachtszeit freut.

Trotzdem wird das Weihnachtsfest für das selbstlose Ehepaar immer mehr zur finanziellen Belastung. Damit sie die Aktion weiter betreiben können, aber nicht ganz alles selbst stemmen müssen, hoffen sie auf Essens- oder Geldspenden. Absprachen können über silvano.vescio@bluewin.ch erfolgen.

Der weisse Krieger

Der dritte im Bunde der Raststätten-Weihnachtsengel aus dem Rheintal ist Hund Fionlagh. Der schottische Name bedeutet «weisser Krieger». Wie passend! Fionlaghs Fell ist zwar braun, aber das spielt ja keine Rolle.

Fionlagh steht am Ursprung der Raststätten-Weihnacht: Ohne ihn und seinem Gassi-Bedürfnis wären Moser und Vescio nicht auf die Fernfahrer aufmerksam geworden. Und sein friedlicher Charakter wird auch an dieser Weihnachten wieder viele Personen verzücken – nebst dem Essen, versteht sich.

Erstaunlich: Weihnachtlicher als auf den Rheintaler Raststätten wird es nicht. Und das ganz ohne Tannenbaum oder Fondue.

veröffentlicht: 9. Dezember 2020 07:54
aktualisiert: 9. Dezember 2020 07:55
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