Kein anderer Stein bewegt im Alpstein mehr

Ein geheimnisvoller Stein in Wasserauen erhitzt die Gemüter. Der Stein wurde angeblich vor einigen Jahren von der Bösegg unterhalb des Säntis geklaut und in einen privaten Garten gestellt. Weil sich mehrere Berggänger gegen diese «Entführung» wehrten, steht der Stein nun wieder an einem Wanderweg.

Er erinnert an einen versteinerten Tannenbaum – der Bösegg-Stein, der auf einer Wiese oberhalb von Wasserauen steht. Die grauen wie Äste geformten Ausläufer des Steins berühren die Grashalme, die ihn umgeben. Er wirkt irgendwie fremd am Platz zwischen den Schmalzblumen und Löwenzahn und tatsächlich hat der Stein eine lange Reise hinter sich, die sich ein bisschen wie ein Märchen liest.

Ursprünglich lag der verwunschene Stein in einer Schrattenkalk-Mulde im Gebiet der Bösegg zwischen der Wagenlücke und dem Säntis auf 2074 Metern über Meer. Der Alpsteinkenner Karl «Charly» Zuberbühler aus Speicher entdeckte den Stein vor neun Jahren und hob ihn mit einigen Helfern mittels Seilwinde mühsam während zwei Tagen aus dem Loch.

Bauer brachte Stein mit Helikopter zu seinem Hof

Der Stein wurde im alpinen Gelände mit Blick auf den Säntis platziert und blieb dort mehrere Jahre, bis er eines Tages mit einem Helikopter abtransportiert wurde. «Der Stein machte eine private Reise von der Bösegg in den Garten einer Privatperson.» Stefan Müller, Innerrhoder Landeshauptmann kennt, wie viele Appenzeller, die Geschichte des Bösegg-Steins sehr gut. In der Region war von einer «Entführung» oder dem «Klauen» des Steins die Rede.

Der Bauer, der hinter dieser Aktion steckte, Patrick Wyss, war sich der Historie des Steins nicht bewusst: «Im Oktober 2018 brachte ein Helikopter, der zu diesem Zeitpunkt Baustellenflüge im Alpstein durchführte, den Stein nach Wasserauen. Von hier aus transportierte ich ihn auf unseren Hof, wo ich ihn auf dem Sitzplatz platzierte», schreibt Patrick Wyss, Bauer aus Weissbad, in einem Leserbrief der am Dienstag im Appenzeller Volksfreund erschien.

Entdeckt habe Patrick Wyss den Stein auf einer Skitour Anfangs Oktober: «Mir kam dann spontan die Idee, den Stein zu bergen.» Weder für ihn noch für das Helikopter-Unternehmen sei erkenn- oder sichtbar gewesen, dass der Stein Jahre zuvor an diese Stelle gehievt worden war.

Aufstand gegen «Entführung» des Steins

«Wir hätten eine Plakette oder etwas am Stein anbringen sollen», sagt der Alpsteinkenner Karl Zuberbühler, der mittlerweile 78-jährig ist, und bedauert rückblickend, wie das Ganze abgelaufen ist. Er habe erst viel später erfahren, dass der Stein zu einem Privatgrundstück geflogen wurde. Gemeinsam mit Alpstein-Kollegen habe er sich eine Zeit lang dafür eingesetzt, dass der Stein wieder auf die Bösegg gebracht werde.

«Mitte August erfuhr ich durch einen Bergwirt von der Forderung von drei Personen, der Stein solle wieder zur Bösegg zurück gebracht werden», schreibt Patrick Wyss im Leserbrief. «Mir war es ein grosses Anliegen, mit diesen Personen ins Gespräch zu kommen.» Deshalb setzten sich Patrick Wyss, Karl Zuberbühler und zwei weitere Personen gemeinsam an einen Tisch.

Zusammen sei ein neuer Standort für den Stein beschlossen worden. Dabei handle es sich um einen Kompromiss. Der Stein wurde nicht zurück auf die Bösegg gebracht, sondern an einen Ort in Wasserauen, der per Wanderweg zugänglich ist und sich in der Nähe des Hofes des Bauern Wyss befindet. Im vergangenen Herbst wurde der Stein dorthin gebracht.

«Über einen Stein sollte nicht gestritten werden»

Karl Zuberbühler will mittlerweile nichts mehr mit dem Stein zu tun haben: «Ich habe damit abgeschlossen. Ich will mich nicht mehr quer stellen. Der Stein ist mir nicht mehr so wichtig, dass darüber gestritten werden muss.» Er habe akzeptiert, dass der Stein nicht mehr an den Ort seines Ursprunges kommt: «Der Gescheitere gibt nach und vielleicht hat es etwas Gutes, dass der Stein an einer leicht zugänglichen Stelle steht, so sehen ihn mehr Menschen.»

Auch Karl Zuberbühler mit seinen 78-Jahren könne den Stein so selbst noch besichtigen. «Er ist auch für Ältere sichtbar und von seinem neuen Standort kann zu der Stelle geblickt werden, wo ich den Stein vor neun Jahren aus der Mulde hob.» Einen Wunsch hat Karl Zuberbühler noch: «Es wäre schön, wenn am Stein dieses Mal eine Plakette angebracht werden würde, die die Geschichte des Bösegg-Steins erzählt» – und womöglich verhindert, dass der Stein erneut gezügelt wird.

veröffentlicht: 16. Juni 2020 13:09
aktualisiert: 17. Juni 2020 08:30
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