Einziger Toggenburger Zoohändler kämpft ums Überleben

Das Zoohaus Rüegg in Dietfurt könnte bald geschlossen werden. Das zeigt ein Eintrag im Schweizerischen Handelsamtsblatt. Die Besitzerfamilie wusste davon nichts – die Zoohandlung ist ihr Leben und Peter und Romy Rüegg versuchen verzweifelt, einen Nachfolger zu finden.

Schweigen. Unsicherheit. Verwirrung und dann Wut. Dies die Reaktionen, die ein Zeitungsartikel bei der Familie Rüegg aus dem Toggenburg auslöst. Im Artikel des Toggenburger Tagblatts wird über eine mögliche Schliessung des Zoohauses in Dietfurt berichtet. Ein Auszug aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt wird zitiert, es heisst, dass die Zoohandlung aus dem Handelsregister gestrichen werde, sollten sie die Rüeggs bis Ende Februar nicht schriftlich melden. Von einem bevorstehenden Gerichtsentscheid ist die Rede.

Das St.Galler Amt für Handelsregister und Notariate bestätigt auf Anfrage von FM1Today, dass die Zoohandlung bereits mehrfach aufgefordert wurde, sich beim Amt zu melden. Weshalb der Handelsregistereintrag in Gefahr ist, darüber will das Amt keine Auskunft geben. Möglich seien Betreibungen oder Verlustscheine, die vorliegen könnten.

«Das alles ist neu für mich»

«Gericht?», «Löschung?» – die hochgezogenen Augenbrauen Peter Rüeggs lassen die vielen Fragen in seinem Kopf nur erahnen. Der Besitzer der Zoohandlung Rüegg in Dietfurt zieht sich nach dem Lesen des Artikels zu seiner Frau Romy ins Büro zurück. Möchte in Ruhe darüber nachdenken. Cornelia Rauscher, die Tochter von Romy Rüegg, ist ausser sich, versteht die Welt nicht mehr. Von einer Schliessung hätten sie nichts gewusst.

Peter Rüegg kommt zurück ins Geschäft, sichtlich mitgenommen. Er bleibt bei einzelnen Aquarien stehen, nachdenklich. «Das ist alles neu für mich. Ich habe einen Brief vom Amt erhalten, diesen habe ich aber sofort meinem Treuhänder weitergeleitet, damit er sich darum kümmert. Ich dachte, es sei erledigt, aber das ist es offensichtlich nicht.»

Seit beinahe 50 Jahren beschäftigt sich Peter Rüegg mit Fischen.
© Lara Abderhalden

Durch Baustelle gab es grosse Verluste

Peter Rüegg gibt zu: «Die Finanzen sind momentan nicht gut.» Das habe vor allem mit der Baustelle zu tun, die in Dietfurt gleich vor der Zoohandlung während rund zwei Jahren die Anfahrt einschränkte. «Wegen der Baustelle draussen haben wir rund zwei Drittel unseres Umsatzes verloren.» Die Baustelle sei der Anfang des Übels gewesen: «Es gab Kunden, die haben sich im Laden für immer von uns verabschiedet», ergänzt die Tochter. «Ich bin selbst nicht einmal mehr bis zu meinem Geschäft gekommen», sagt Peter Rüegg.

Nicht nur die Baustelle war es, die den Rüeggs zu schaffen machte. Der 72-Jährige deutet auf das Smartphone, das auf dem Tisch liegt: «Die Jungen interessieren sich für die Technik. Alle haben so ein Ding und bestellen die Aquarien dort. Im Internet ist alles billiger. Mit den Preisen von Hobby-Züchtern kann ich nicht mithalten.» So gehe es vielen anderen auch. Abgesehen von der Kette Qualipet in Wattwil gebe es keine Zoohandlungen mehr in der Region: «Alleine im Kanton St.Gallen mussten fünf Geschäfte in diesem Bereich im letzten Jahr schliessen.»

Peter Rüegg entwickelte eigenen Wasserfilter

Dabei war Peter und Romy Rüeggs Zoohandlung früher ein sehr lukratives Geschäft. Peter Rüegg erinnert sich an die Zeit zurück, in der Kunden aus aller Welt seine Rochen sehen oder kaufen wollten oder an die vielen Kenner, die darüber staunten, wie er es immer wieder schaffte, Nachwuchs zu züchten, während sie daran beinahe verzweifelten. Der 72-Jährige erzählt Geschichten von Tauchgängen, in denen er in einer Tiefe von rund 50 Metern auf spezielle Trompetenfische stiess oder wie er Spezialisten erklärte, weswegen alle ihre Fische, die sie aus dem Meer holten, kaputte Augen hatten. Die Gefässe, in denen sie aus dem Meer gezogen wurden, hatten scharfe Späne an den Innenwänden, an denen sich die Fische verletzt hatten. Ausserdem entwickelte Peter Rüegg einen eigenen Filter für Aquarien, dieser wurde patentiert und ist weltweit im Einsatz.

Ein von Peter Rüegg entwickelter Wasserfilter hält das Wasser sauber.
© Lara Abderhalden

«Jetzt ist uns auch ein bisschen Freiheit gegönnt»

Wir stehen vor einem Aquarium mit kleinen schwarzen Fischen, die eine Art gelben Schwimmgurt um den Bauch tragen: «Das ist einer meiner Lieblingsfische.» Vorsichtig berührt Peter Rüegg die Scheibe. Er erzählt von einem grossen Auftrag, den er soeben erhalten hat: Einem Aquarium in einem Spital. Es gebe auch noch weitere Aufträge, die in ein paar Jahren kämen, aber: «Wer weiss, ob ich dann noch da bin.»

Peter und Romy Rüeggs grösster Wunsch ist es, einen Nachfolger oder Investor zu finden, den sie ein paar Jahre unterstützen könnten. Die Tochter könne das Geschäft nicht übernehmen, da sie an Rückenschmerzen leide. «Nach beinahe 50 Jahren in diesem Geschäft wäre meiner Frau und mir jetzt auch ein bisschen Freiheit gegönnt. Meine Frau ist auch schon 74 Jahre alt.»

Dass die Zoohandlung aber bereits am 22. Februar schliessen soll, wie im Eintrag im Handelsamtsblatt steht, möchten die Rüeggs um alles in der Welt verhindern. Peter Rüegg: «Ich werde mich dieser Sache annehmen. Es wäre schon schön, noch mindestens ein Jahr weitermachen zu können. Das Geschäft bedeutet mir sehr viel. Aber wenn es finanziell nicht läuft, was will man machen?»

«Das kannst du doch nicht machen?»

Während des Gesprächs kommen mehrere Kunden und Freunde zu einem Kaffee vorbei. Einige haben den Zeitungsartikel gesehen: «Was Peter, du willst schliessen, dass kannst du doch nicht machen?», sagt ein pensionierter Freund. Rüegg sei der einzige, der in diesem Geschäft noch kompetent sei.

Nach unserem Gespräch sind die Unsicherheit und Verwirrung zwar immer noch gross – mittlerweile haben aber wieder die Faszination für das Thema Fische und die Leidenschaft, die die Familie für ihr Lebenswerk lebt, überhand genommen. Die Weissspitz-Riff-Hai-Dame Deyla, die in unserem Augenwinkel ihre Runden schwimmt, wird hoffentlich nicht der letzte grosse Fisch sein, den Peter und Romy Rüegg an Land ziehen.

Die Weissspitzen-Riffhai-Dame Deyla
© Lara Abderhalden
veröffentlicht: 11. Februar 2020 06:16
aktualisiert: 11. Februar 2020 06:16
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