«Eine solche Algenplage gab es zuletzt vor 30 Jahren»

Quelle: FM1Today

Der letzte Berufsfischer auf dem Walensee hat es nicht leicht. Im April fing Hanspeter Gubser fast eine Tonne Felchen, doch wegen Corona wurde er sie kaum los. Jetzt verkleben Algen seine Netze. Warum er nichts fängt, und doch glücklich ist.

Früh am Morgen ist ein See ein einsamer Ort. Der Walensee macht da keine Ausnahme. Von Walenstadt aus ragen zu beiden Seiten mächtige Höhen auf, es dauert lange, bis die Sonnenstrahlen das Wasser glitzern lassen. Schwimmer sieht man keine, nur ein paar Möwen bezeugen ein eigenartiges Farbenspiel.

Hanspeter Gubser trägt eine rote Jacke und bückt sich, um seine Netze mit Hilfe seiner elektrischen Kurbel einzuholen. Ab und zu hält er an, um einen der blauen oder gelben Schwimmkörper zu entfernen. Um einen Fisch aus dem Netz zu nehmen, muss der letzte Berufsfischer auf dem Walensee derzeit aber fast nie anhalten.

«Alge verklebt die Netze»

600 Meter Netz hat der 54-jährige Gubser am Abend zuvor ausgelegt. Die Ausbeute: Drei Felchen und eine Forelle. Ein grossartiger Fang – für einen Sportfischer, der sein Glück mit einer Angel versucht. Für einen Berufsfischer, der hunderte Meter an Netzen ausbringt, ist das hingegen gar nichts.

«Das Problem ist diese Alge», sagt Gubser und zeigt seine dunkel verfärbten Netze, die eigentlich weiss sein sollten, «Die Alge verklebt die Netze, was die Fische bemerken.» Wegen der verklebten Maschen bemerken die Fische mit ihren Sinnen einen Widerstand, als würden sie auf eine Felswand zuschwimmen.

Die Netze sollten eigentlich weiss sein, nicht braun. 

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Warum diese Alge gerade jetzt im Walensee auftaucht, ist nicht klar. «So eine Algenplage gab es laut einem meiner Vorgänger zuletzt vor etwa 30 Jahren», sagt Gubser. Der Kanton analysiert derzeit eine Wasserprobe.

Die derzeitige Flaute steht im krassen Gegensatz zum Monat April. Damals konnte Gubser fast eine Tonne Felchen an Land ziehen. Normalerweise liegt der Ertrag im April bei unter hundert Kilo, doch das warme Wasser trieb die Felchen in die Netze. Die Coronakrise vermieste ihm jedoch das grosse Geschäft: Keine offenen Restaurants, keine Abnehmer.

Die vier Fische bringen Gubser, der von den meisten nur «Frosch» genannt wird, knapp hundert Franken. Damit kann er in etwa seine Spesen decken, an Gewinn ist bei einer solch mageren Ausbeute nicht zu denken. Aber er sei ja nicht aus finanziellen Gründen Berufsfischer geworden.

Die Ausbeute ist für einen Berufsfischer durchaus mickrig. 

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Seit zwölf Jahren fischt Gubser beruflich auf dem Walensee. Der aufgeweckte Mann mit der roten Skilehrer-Jacke übt seinen Beruf aus Leidenschaft aus. Einen anderen Antrieb gibt es auch gar nicht. «Das grosse Geld verdient man als Berufsfischer nicht, das muss einem klar sein», sagt Gubser.

Früher sei er Liegenschaftsverwalter bei einer grossen Zürcher Firma gewesen und habe viele Leute unter sich gehabt. Tauschen würde er Büro und Boot jedoch nicht mehr.

Gubser muss seine Motivation gar nicht weiter erklären, sie ist an diesem Tag offensichtlich. Nach einer Weile auf dem See krallen sich die goldenen Finger der Sonne um die westlichen Churfirsten und ziehen den neuen Tag über die Berggipfel. Der Walensee erwacht mit Hanspeter Gubser, der weiter an seinen verklebten Netzen zieht und Schwimmkörper verstaut.

Die Sonne kriecht über die Churfirsten. 

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Der Frosch schwimmt nicht mit dem Strom

Natürlich ist das einfach gesagt, bei einem Tag, der strahlenden Sonnenschein und Temperaturen um die 25 Grad verspricht. «Frosch» insistiert jedoch, er liebe den Walensee bei jedem Wetter und jeder Jahreszeit. Sogar im Winter, wenn er einen Kübel mit heissem Wasser dabei hat, damit seine Finger nicht einfrieren.

Beim Kaffee im Restaurant Seehof erzählt Gubser von seinen anderen Tätigkeiten. Die fast tägliche Belohnung durch die Natur des Walensees ist das eine, trotzdem muss der Vater von sechs Kindern etwas verdienen.

Bei Suchaktion dabei

«Wenn es nicht gut läuft mit dem Fischen, helfe ich manchmal bei meinem Bruder auf dem Bau», sagt der Walenstädter. Daneben ist er sowohl bei der Berg-, als auch der Seerettung. Vor einigen Wochen war er zum Beispiel bei der grossen Suchaktion auf dem Walensee beteiligt, nachdem ein junger Mann ertrunken war.

Die Vorliebe für ausserordentliche Beschäftigungen zeichnete sich bei Gubser schon in der Jugend ab. Er sei in der Nationalmannschaft der Deltasegler gewesen, und auch in jener der Faustballer. Der Frosch schwamm noch nie mit dem Strom.

Alle reissen sich um die wenigen Fische

Zur Arbeit gehört aber nicht nur das Fangen allein. Seinen Mini-Fang bringt Gubser in seine Fischküche. Die Felchen werden entschuppt und ausgenommen, danach filettiert. Bei der Forelle werden nur die Innereien entfernt. «Die Edelfische gehen ausschliesslich an die Gourmet-Köche, mit denen ich zusammenarbeite», sagt «Frosch».

Edelfische wie Forellen verkauft Gubser nur an die Gourmetköche. 

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Darunter Andreas Caminada vom Restaurant Schauenstein in Fürstenau, Silvio Germann vom Igniv in Bad Ragaz, Stefan Rehli vom Löwen in Walenstadt und Roger Kalberer vom Melser Schlüssel. Mit ihnen hat er eine Whatsapp-Gruppe, in denen er seine Fänge präsentiert – und im besten Fall ein Wettbieten der Köche entsteht.

Es gibt aber auch andere Abnehmer: Private, Restaurants, oder der Lebensmittelladen Comestibles Lavarini, wo Gubser seine Felchen heute hinbringt. Auch wenn es nur wenige Felchenfilets gibt, freut sich der Inhaber Tarcisio Lavarini: «Die Fische sind sehr beliebt. Das Fleisch der Walensee-Fische ist sehr kompakt und geschmacklich top.»

Immerhin stimmt die Nachfrage. Wobei «Frosch» wohl so oder so weiterfischen würde – zu sehr liebt er seine Berufung auf dem Walensee. Corona hin, Algenplage her.

veröffentlicht: 7. Juli 2020 05:40
aktualisiert: 7. Juli 2020 05:47
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