«Die Kamerasau ist besser als jede TV-Serie»

Wer mittlerweile kaum mehr fernsehen kann, weil die Lust dazu fehlt oder das Programm irgendwie ausgeschöpft ist, für den kommt die Kamerasau genau richtig. Einer Sau im Toggenburg wurde eine Kamera auf den Rücken geschnallt, sie soll den Menschen in der aktuell schwierigen Zeit einen Einblick in ihren Alltag ermöglichen.

Auf dem Adelbach-Hof in Necker ist die Welt in Ordnung. Schweine suhlen sich im Dreck, Kühe muhen im Hintergrund und eine leichte Brise bringt die Bäume im naheliegenden Wald zum Rascheln. Ein leises Grunzen ist zu hören und auf dem Betonplatz vor dem Bauernhof liegt eine dicke, rosarote Sau mit einem Tupperware auf dem Rücken.

Kamera ist Service für Fleischkäufer

Das Schwein hat nicht etwa Essensreste gebunkert – im Gefäss auf des Schweines Rücken befindet sich eine Kamera, die in Echtzeit im Internet überträgt, was die Schweine auf dem Hof der Hagmanns gerade so tun. Aktuell nicht viel – sie liegen im Schatten und schlafen.

Köbi Hagmann, der sich selbst scherzhaft als Schweineflüsterer bezeichnet, ist der Grund, weshalb jeweils ein Schwein eine Kamera auf dem Rücken trägt. Und die Idee kam dem 28-jährigen Bauern ursprünglich, um den Verkauf des Schweinefleischs anzukurbeln: «Wir wurden immer wieder für Fleischlieferungen von weit her angefragt und diese Kunden wollten wissen, wie es die Tiere bei uns haben, wie sie so leben. Wir haben zwar immer gesagt, sie haben es schön, aber es ist einfacher wenn die Kunden gleich live mitverfolgen können, wie es den Tieren geht.»

Die Kamerasau macht ein Nickerchen im Schatten.

© FM1Today/Lara Abderhalden

«Ich bin ein Schwein, holt mich hier raus!»

Also wurde die Kamerasau ins Leben gerufen. Köbi Hagmann und seine Frau Leandra ziehen jede Woche einem anderen Schwein die Kamerahalterung an und alles, was die Sau den Tag durch tut, wird über einen Livestream im Internet übertragen.

«Besonders jetzt während der Corona-Zeit ist es doch schön, Tieren auf dem Hof zuzusehen, wenn man selbst nicht die Möglichkeit hat, nach draussen zu gehen», sagt Köbi Hagmann. Auch die Reaktionen auf die Kamerasau seien durchwegs positiv ausgefallen. «Eine Frau schrieb uns, dass die Kamerasau besser ist, als alles was im Fernsehen kommt und ob wir für die Show schon einen Namen hätten», sagt Leandra Hagmann. Die 27-Jährige ergänzt: «‹Ich bin ein Schwein, holt mich hier raus› oder ‹Next Miss Schwein Switzerland› waren nur zwei der Vorschläge.»

Die Sauen, die die Kamera tragen, wechseln Wochenweise.

© zVg

Schweine schlagen sich mit Karton

Unterhaltsam können Schweine allemal sein. Nur schon beim Besuch im Necker kamen die Tiere grunzend angerannt, drehten sich im Dreck oder verzogen das Gesicht zu lustigen Grimassen. «Schweine merken, wenn Menschen dabei sind. Deshalb ist die Kamerasau auch sehr interessant. Sie zeigt uns, was die Schweine so machen, wenn wir nicht dort sind», sagt Köbi Hagmann.

So hätten sich die Schweine schon gegenseitig mit Karton abgeschlagen, würden regelmässig zicken oder spezielle Kreise laufen. Die Kameras stören die Schweine übrigens überhaupt nicht.

So ruhig sind die Schweine nicht immer. Manchmal geht auf dem Hof in Necker auch die Post ab.

© FM1Today/Lara Abderhalden

«Die Sauen haben es ein paar Monate sehr schön bei uns»

Dass die Kamerasau hauptsächlich dazu dient, sich selbst als Fleisch zu verkaufen, das sei natürlich eine Tatsache, die sich nicht leugnen lässt. Köbi und Leandra Hagmann bauen aber keine speziellen Beziehungen zu den Schweinen auf: «Wir sind beide so aufgewachsen und wir geben den Sauen auch extra keine Namen. Wir denken uns immer, dann haben es die Sauen wenigstens ein paar Monate sehr gut bei uns.» Auf vielen anderen Höfen würden die Vorschriften teilweise nicht eingehalten: «Wir verfolgen ganz klar das Ziel, wenn möglich, wenig Fleisch zu essen, dafür aber Fleisch, das eine sehr gute Qualität hat und nachhaltig produziert wurde.»

Die Next Miss Schwein Switzerland ruht noch immer im Schatten einer Holzwand und ausser den beiden rosaroten Ohren, die im Aufnahmebereich der Kamera leicht auf und ab schwappen ist das Leben der Kamerasau im Moment gerade ziemlich unspektakulär. Genau wie das von vielen von uns in der aktuellen Corona-Pandemie.

Der TVO-Beitrag:

Quelle: TVO

veröffentlicht: 13. April 2020 09:19
aktualisiert: 13. April 2020 09:20
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