Alternativen für WC-Papier: Kläranlagen warnen vor Verstopfungen

In Romanshorn mehren sich die Verstopfungen wegen verbotener Stoffe.
© Stadt Romanshorn
Viele kleinere Kläranlagen laufen derzeit auf Hochtouren, weil ein grosser Teil der Bevölkerung von zu Hause aus arbeitet und dort die sanitären Einrichtungen nutzt. Das allein ist noch kein Problem, in Kombination mit falschen WC-Papier-Alternativen wird es aber zu einem.

Die Corona-Krise ist auch die Zeit der unbesungenen Helden. Es sind wohl so viele Leute dauernd zu Hause wie noch nie – ob sie nun arbeiten oder nicht – und nutzen dort wie immer selbstverständlich die häuslichen Einrichtungen. Die Restaurants sind zu, es wird also mehr zu Hause gekocht, Strom verbraucht – und auch die sanitären Anlagen werden öfter benutzt. So mancher WC-Sitz sieht derzeit viel mehr Hintern als normal. Der traute Sitz gehört aber nicht zu den erwähnten unbesungenen Helden, es sind vielmehr diejenigen, die uns das Leben zu Hause ermöglichen.

Die Grundversorger. Die Mitarbeiter der Elektrizitätswerke, Internet-Provider, die Angestellten der Kläranlagen. Und die sind jetzt besonders gefordert.

Alternatives WC-Papier führt zu Verstopfungen

Viele kleinere Kläranlagen verzeichnen dieser Tage eine Zunahme von Fäkalien. Das hat mit der Verteilung zu tun: Während sonst viele Personen in regionale Zentren wie St.Gallen pendeln und dort auf's WC gehen, arbeiten sie jetzt von zu Hause aus an ihrem Wohnort – etwa in Romanshorn.

«Derzeit landen pro Tag etwa 2000 bis 3500 Kilo organische Fracht in der Vorklärung. Normalerweise sind es 1700 bis höchstens 2500 Kilo», sagt Roland Nüssli, Betriebsleiter der Kläranlage Romanshorn, gegenüber FM1Today. Ähnlich klingt es im Toggenburg. «Wir stellen eine Zunahme von etwa 20 Prozent fest», sagt Adrian Raschle, Klärmeister der Bazenheider Anlage. Die Zunahme an organischen Stoffen stellt aber noch kein Problem dar.

Zusammen mit den organischen Ausscheidungen, die in die Kanalisation geleitet werden sollten, landen aber auch immer mehr Fremdkörper in den Kanalisationsrohren. «Weil WC-Papier Mangelware ist, nutzen die Leute manchmal Alternativen. 95 Prozent der Feucht-, Küchen-, Kosmetik-, und Taschentüchter zersetzen sich aber nicht. Und Textilien überhaupt nicht», sagt Nüssli.

In der letzten Woche mussten die Mitarbeiter der Kläranlage Romanshorn gleich zweimal ausrücken, um Verstopfungen zu beseitigen.

Das Problem mit den Ratten

Es ist ein generelles Problem, dass die Bevölkerung Dinge das WC runterspült, die nicht hineingehören. In den letzten Jahren habe deswegen auch die Rattenpopulation in der Kanalisation zugenommen, sagt Roland Nüssli: «Wenn Essensreste hintergespült werden, ist für die Ratten da unten natürlich das Schlaraffenland.»

Das Resultat sehe man am besten bei Regenfällen nach einer längeren Trockenperiode, wenn dutzende tote Ratten in den Becken der Kläranlage landen. Der Abwasserverband Romanshorn erwähnt deshalb auf der eigenen Website die verbotenen Stoffe:

Verbotene Stoffe ARA
© Screenshot / ara-romanshorn.ch

Grosse Herausforderung in Sachen Hygiene

Obwohl es in Einzelfällen zu Problem kommen kann, kommt die gute Schweizer Infrastruktur nicht an ihre Belastungsgrenzen. «Es gibt ja nicht mehr Abwasser, dieses verteilt sich nur anders», sagt Christoph Baumann, Leiter Abwasser vom St.Galler Amt für Wasser und Energie.

Grösser ist die Herausforderung für das Personal. Die Hygiene spielt in diesem Sektor so oder so eine grosse Rolle – Atemschutzmasken und Handschuhe sind nicht nur in Corona-Zeiten Pflicht. «Es gibt zwar keine Hinweise darauf, dass der Erreger im Abwasser überleben kann», sagt Baumann. «Aber der Betrieb muss sichergestellt sein. Die Kläranlagen können nicht einfach aufhören zu arbeiten.»

Sollte Personal ausfallen, könnte dies zu Problemen führen. Deswegen teile man das Personal während der Krise in zwei Gruppen auf, um Ansteckungsrisiken zu vermeiden. Auch der Mangel an Schutzmasken macht sich bemerkbar. «Eine erste Anlage hat sich nach weiteren verfügbaren Schutzmasken erkundigt. Es ist denkbar, dass weitere folgen», sagt Baumann.

Es ist immerhin gut zu wissen, dass wirklich jeder und jede die Mitarbeiter der Klärwerke unterstützen kann, indem er oder sie keine verbotenen Stoffe runterspült. Denn die Reinigung eines verstopften Rohrs (siehe Beitragsbild) ist laut Roland Nüssli wirklich «nicht lustig».

veröffentlicht: 1. April 2020 05:52
aktualisiert: 1. April 2020 05:52
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