Im Dreck mit den Wichsers

Heute Donnerstag wäre es so weit. Das Sittertobel in St.Gallen würde seine Schleusen öffnen und tausende OpenAir-Fans pilgern für vier Tage an einen magischen Ort. Wäre. Denn es findet einmal mehr nicht statt. Eine Hommage an das OpenAir St.Gallen.

12 Stunden habe ich geschlafen. Wider die Musik und wider den Lärm an meinem Zeltplatz. Meine Kampfstiefel fanden in einer Wasserlache, die sich in meinem Zelt angesammelt hatte, einen neuen Aufenthaltsort.

Das war 2013. Das wohl übelste Open Air während meiner Karriere als Tobelgänger. 2013 war übrigens auch das Jahr, in dem ein OpenAir-Fan das Gefühl hatte, es sei eine tolle Idee, die Sternenbühne zu erklimmen. Der Mann rutschte dann – wie auf einer Wasserrutsche – über das Zeltdach und traf hart im Schlamm auf. 2013 wurde fernerhin das Cashless-System eingeführt, auf der Bühne standen Die Ärzte, Kings of Leon, Die Antwoord und Macklemore.

Das Open Air St.Gallen ist legendär. Allerdings nicht per se wegen der Musik, sondern wegen der einmaligen Stimmung. Das Gefühl, das einen überkommt, während man sich donnerstags stundenlang in der prallen Sonne die Beine in den Bauch steht, das Eingangsprozedere, das einem dann auf einmal viel schneller vorkommt als es ist und die ersten Schritte auf der (noch) unberührten Wiese ist sensationell. Man wähnt sich in einer anderen Welt. Die Alltagssorgen sind weg, jetzt gibt es nur noch Bier, Käse-Hotdog vom Appenzellerstand (der ist sowas von geil) und transparente Pellerinen.

Zwei Jahre später gab SRF Virus ein Video heraus, das innert drei Minuten präzise auf den Punkt bringt, wie man sich am Openair St.Gallen zu verhalten hat.

Dann kam 2017. Und mit 2017 kam eine Wohltat der akustischen Erfahrung für die geschundenen Seelen, die sich 1999 Metallica antun mussten und das OpenAir St.Gallen um ein Haar in den Ruin trieb.

Nein, 2017 war ein magisches Jahr: Erstmals stand mit Jack Stoiker der «Bob Dylan für Arme» auf der Sternenbühne und besang an einem Samstagnachmittag die nach Qualität lechzende Schar von Besuchern.

Mit den harmonischen Klängen von «Du stosch Abseits du Wichser» oder «Hüt wert onaniert», schrieb die Band Knöppel OpenAir-Geschichte. Knöppel sollte eigentlich – ähnlich dem Resident DJ – einen festen Platz im Lineup bekommen, schliesslich ist er ein Eigengewächs.

Genau so wie toxic.fm-Moderatorin Lisa Pillinger, die vor einem Jahr eine nahezu perfekte Hommage an das ausgebliebene Festival produzierte.

Das Openair St.Gallen ist legendär. Nicht nur wegen den Künstlerinnen und Künstlern auf den Bühnen, sondern vor allem wegen den Besuchern.

Auf dass wir uns 2022 im Tobel sehen.

Hast du eine spezielle OpenAir-Geschichte? Schick uns ein Mail oder schreib sie uns in die Kommentare.

veröffentlicht: 1. Juli 2021 06:39
aktualisiert: 1. Juli 2021 08:20
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